TS13/18: Musterbespiel Ochsenhausen: Hochprofessionelle Kritik und exzellente Quellen

Über die Vorgänge in Ochsenhausen (Landkreis Biberach, Baden-Württemberg) hatte SaSe hier schon einmal ausführlich berichtet: Der frühere Bürgermeister Franz Wohnhaas übt auf seinem Blog misch-dich-ein-ox.de sowie in gleichlautenden Wurfsendungen an Haushalte in Ochsenhausen umfassende Kritik an Bürgermeister Andreas Denzel und der Stadtverwaltung.
Wie schon in HInfo24 bedauert, ist es mir leider aus formalrechtlichen Gründen bisher nicht möglich, den Wohnhaas-Blog direkt zu verlinken. Aus technischen Gründen unterblieb bisher auch die Rückverlinkung des SaSe-Artikels zu Ochsenhausen auf Wohnhaas‘ Blog. Damit wird der m. E. berechtigten Kritik Wohnhaas‘ die verdiente Verbreitung beschnitten.

Übrigens: Die von Bürgermeister Andreas Denzel in einer Gemeinderatssitzung behauptete und von der Schwäbischen Zeitung (SZ) hier berichtete „Abmahnung“ an den Blogger zur Verwendung des Stadtlogos sowie die ebenfalls angekündigte Abmahnung wegen angeblich falscher Tatsachenbehauptungen ist bisher nach Angaben von Franz Wohnhaas nicht erfolgt. [siehe Aktualisierung unten] Auch dieses Beispiel bekräftigt, was der professionell vorgehende Kritiker mit weiteren konkreten Fällen zu belegen trachtet: Bürgermeister Andreas Denzel sage nicht die Wahrheit. Das  müsste für eine Regionalzeitung eigentlich Anlass sein, den „Abweichungen“ nachzugehen. Doch in der SZ kann ich bisher nichts zu der schwerwiegenden Kritik des Bloggers und den im Raume stehenden „alternativen Fakten“ der Stadtverwaltung finden?

Überhaupt ist die Quellenlage schlecht – aufseiten der Stadt Ochsenhausen. Im Ochsenhauser Anzeiger Nr. 46 vom 16.11.2018 hatten der Bürgermeister und einige Stadträte behauptet, die an zahlreiche Ochsenhausener Haushalte verteilte Wurfsendung von Franz Wohnhaas enthalte unwahre Tatsachenbehauptungen. Nur leider: Wer dazu recherchieren möchte, kann im Internet die besagte Ausgabe des Ochsenhausener Anzeiger nicht finden. Auf der Stadt-Webseite wird ohnehin jeweils nur die neueste Ausgabe des Amtsblattes angeboten.

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Jeweils nur das aktuelle Amtsblatt online vorzuhalten ist auch nicht gerade ein Nachweis von Transparenz. Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot von www.ochsenhausen.de.

Jeweils nur das aktuelle Amtsblatt online vorzuhalten ist auch nicht gerade ein Nachweis von Transparenz.
Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot von www.ochsenhausen.de.

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Die von Denzel behauptete Abmahnung ist bisher nicht erfolgt!
Die nicht erfolgte Abmahnung der Stadt an den Blogger trägt eine klare Botschaft. Bei den im Raum stehenden Vorwürfen geht es nicht um Peanuts, sondern um Millionenbeträge des Steuerzahlers. Wären die von Wohnhaas erhobenen Vorwürfe tatsächlich falsche Tatsachenbehauptungen, wäre es die Pflicht der Stadt Ochsenhausen, entsprechend dagegen vorzugehen. Sie tut es nicht …

[Aktualisierung vom 14.12.2018 / 13.53 Uhr:] Anlässlich dieser Veröffentlichung informiert mich Franz Wohnhaas, dass inzwischen und mit Datum vom 11.12.2018 eine Abmahnung einer Rechtsanwaltskanzlei eingegangen sei. Die Abmahnung bezieht sich sowohl auf die Verwendung des Logos wie auf die angeblichen unwahren Tatsachenbehauptungen in den in Ochsenhausen verteilten Wurfsendungen. Die Internet-Veröffentlichung dazu wird in dem Schreiben gar nicht erwähnt. Franz Wohnhaas wird eine Frist bis zum 17. Dezember 2018, 12.00 Uhr, eingeräumt, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben.
Das werde er nicht tun, erklärt Wohnhaas diesem Blog gegenüber. Er werde sich seinerseits Rechtsbeistand suchen.
[Ende der Aktualisierung vom 14.12.2018 / 13.53 Uhr]

Auf die Veröffentlichung im Ochsenhausener Anzeiger hin hat Franz Wohnhaas ein weiteres pdf-Dokument auf seinem Blog ins Netz gestellt: „Stellungnahme zum Bericht im Ochsenhausener Anzeiger Nr. 46 vom 16.11.2018“. Beeindruckend an dieser jüngsten Veröffentlichung ist die hohe Sachlichkeit und die absolute Professionalität. Außerdem verfügt Wohnhaas offensichtlich über exzellente Quellen. Unter anderem deckt er auf, dass zum Thema Altenzentrum Goldbach zwischen der Stadt Ochsenhausen und der St. Elisabeth-Stiftung (SES) nicht einer (1), wie bisher berichtet, sondern insgesamt fünf (5) Verträge abgeschlossen worden seien, die er im Einzelnen spezifiziert.

Des Weiteren und unterstützt mit Zitaten legt Wohnhaas dar, dass darin lauter unverbindliche Absichtserklärungen festgeschrieben werden, die überhaupt nicht einklagbar sind:

Die Behauptung des Bürgermeisters, dass die SES neben dem Erhalt des AzGo weitere Pflegeeinrichtungen errichten und dauerhaft betreiben muss, ist falsch. Weder Umfang noch Zeit der perspektivisch möglichen Investitionen ist in den Verträgen einklagbar festgeschrieben.
(Blog Misch-dich-ein-ox.de, pdf-Dokument „Stellungnahme zum Bericht im Ochsenhausener Anzeige Nr. 46 vom 16.11.2018; Hervorhebg. SaSe)

Dann werden die Festsetzungen detailliert aufgelistet, die in den Verträgen die Immobilie Altenheim betreffen. Im Fettdruck und unterstrichen kommt Wohnhaas zu dem Schluss:

Die Behauptung des Bürgermeisters, der Erbbaurechtsvertrag umfasst das ganze Objekt des AZ ist falsch. Der Erbbaurechtsvertrag umfasst nur das Grundstück, nicht aber das vorhandene Bauwerk, das lt. Vertrag zu Vertragsbeginn sofort in das Eigentum der SES übergegangen ist (Mieteinnahmen aus Pflegeheim/ Betreute Wohnungen und Teil der Tiefgarage sowie die Abschreibungen stehen der SES zu).
Durch Vertrag Nr. 5 hat die SES mit Zustimmung der Stadt dieses Vermögen sofort auf die SE gGmbH weiter gereicht. Neuer Betreiber des AzGo ist also nicht die SES, sondern die SE gGmbH (Sozialkonzern).
(ibid.)

Auch zum Thema „Finanzsituation“ behauptet Wohnhaas: „Diese vom Bürgermeister genannten Zahlen sind eindeutig falsch […]“. Auch diesen Vorwurf belegt er mit Zahlen.

Absolut souverän weist der Blogger den Vorwurf der Polemik  zurück: „Wenn wir bewusste und wider besseren Wissens gemachte Falschaussagen des Bürgermeisters und der Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats anprangern, dann hat das mit Polemik überhaupt nichts zu tun.“
Wohl wahr!

Senf:
Es beeindrucken die Professionalität und Sachlichkeit, mit der Franz Wohnhaas vorgeht. Überdies verfügt er ganz offensichtlich über exzellente Quellen.

Seine Kritik zeigt auch den Modus operandi auf, mit dem seitens des kritisierten Bürgermeisters  – und ganz bestimmt nicht nur in Ochsenhausen – gearbeitet wird:

+ Folgenschwere Ungenauigkeiten: In der SZ-Berichterstattung ist lediglich von einem Erbbaurechtsvertrag die Rede, der von der Stadt mit der St. Elisabeth-Stiftung abgeschlossen worden sei. De facto jedoch, wenn die Angaben von Wohnhaas stimmen, seien fünf verschiedene Verträge abgeschlossen worden. Warum?

+ Inhaltliche Umdeutungen: In den Verträgen genannte völlig unverbindliche und nicht einklagbare Absichtserklärungen, die Wohnhaas teilweise sogar wörtlich zitiert, werden in der Darstellung nach außen und in der SZ-Berichterstattung zu bindenden Verpflichtungen aufgepumpt. Der SZ-Bericht übernimmt die Aussagen der Stadtverwaltung und beschränkt sich auf das schiere Zitat:

„Das Altenzentrum Goldbach wurde nicht, wie behauptet, ,[sic] kostenlos, also ohne Grund verschenkt‘, sondern es wurde mit der St.-Elisabeth-Stiftung ein notariell beurkundeter Erbbaurechtsvertrag geschlossen, der der Stiftung neben der Bezahlung des Erbbauzinses umfangreiche weitere Verpflichtungen auferlegt.“
(Schwäbische Zeitung 16.11.2018: „Nach Generalkritik: Stadt Ochenhausen wehrt sich“; Hervorhebg. K. B.)

Wenn New York Times und Washington Post arbeiten würden wie die Schwäbische Zeitung, wäre das weitläufige Lügengebirge des amerikanischen Präsidenten nicht aufgedeckt worden.

+ Keine (kritische) Berichterstattung in der Regionalpresse: Wieso greift die SZ die fundierte Kritik von Wohnhaas nicht auf? Ein persönliches Gespräch zwischen dem Ex-Bürgermeister und dem SZ-Redakteur Tobias Rehm am 26. November 2018 sei ohne Ergebnis geblieben, berichtet mir Franz Wohnhaas  – und auch ohne einen Artikel zum Thema, weil Rehm, nach Angaben des Bloggers, seinen Gesprächspartner nicht von der Neutralität/Objektivität  der SZ überzeugen konnte. Stattdessen habe der Redakteur den Blogger um dessen Unterlagen gebeten! Für  mich heißt das: Tobias Rehm ist nicht willens oder in der Lage, diese Fakten (selbst) zu recherchieren? Das wäre eine journalistische Bankrotterklärung.
Alle diese überprüfbaren Fakten sprechen sehr für Franz Wohnhaas. Sie sprechen gegen den Bürgermeister und gegen die SZ-Berichterstattung!

+ Plus jede Menge weitere Tricks. Zum Beispiel der Kniff, den Denzel und seine Stadträte beim Thema Restschuld anzuwenden scheinen. Wohnhaas hatte diese mit einem Betrag von 1. 032 588 Euro angegeben. Und so steht sie auch im Haushaltsplan der Stadt zum Übergabezeitpunkt am 31.12.2017. Dann gab es eine laufende Tilgungsrate und eine Sondertilgung in den Monaten danach, so dass sich die Restschuld auf ca. 465 000 Euro reduzierte. An dieser nachvollziehbaren Differenz trachtete die Stadt nun, den Vorwurf der falschen Tatsachenbehauptung festzumachen. Wohnhaas argumentiert, dass diese spätere Tilgungsrate und Sondertilgung nichts an der Tatsache ändere, dass es sich immer noch um Steuermittel handele, die an anderer Stelle fehlen.

+ Null Transparenz: nicht offengelegte Verträge, keine Zeitungsberichterstattung, keine recherchierbaren Dokumente.

Es ist sehr bedauerlich, dass der extrem gut dokumentierte Fall Ochsenhausen bisher keine weitere Öffentlichkeit findet. Franz Wohnhaas fehlt die Internetaffinität und Technikkompetenz, seine Veröffentlichungen über den Radius der Stadt Ochsenhausen hinaus bekannt zu machen. Die Publikation auf SaSe hilft zwar, aber auch dieser Blog verfügt nicht über die Bekanntheit und die Zugriffszahlen, welche diesem gut dokumentierten Fall zweifelsohne angemessen wäre.

Hoffnung erwächst dem Bürger, der an dieser scheinbaren Allmacht von Stadtverwaltungen in Regionen mit offensichtlicher Kumpanei zwischen Lokalpolitik und der jeweiligen Monopolpresse schier verzweifelt, aus den Projektvorbereitungen des Recherche-Kollektivs correctiv. Das nämlich arbeitet derzeit daran, die „Recherchen für die Gesellschaft“ künftig auch auf lokaler Ebene anzubieten. Der Fall Ochsenhausen hätte diese Recherche der Profis verdient.

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