Ich sag’s ja immer: Man muss den Politikern nur richtig zuhören! Tief eingesunken in ihre maßlose Selbstüberschätzung verraten sie sich sprachlich oft genug selbst. Nachdem ich heute ein hochinteressantes Gespräch mit einem Bürgerrechtler einer Bürgerinitiative im Zollernalbkreis hatte, flattert mir als Leserhinweis dieses Interview der SchwäZ mit dem neuen Landrat im Ostalbkreis Joachim Bläse auf den Tisch: „Landrat Bläse will nicht auf heile Welt machen“.
By the way: Wegen Zollernalbkreis – ich sehe, SaSe muss sich kümmern …
[Aktualisierung am 08.10.2020: Der ursprünglich hier verlinkte Link auf diesen SaSe-Artikel musste von dem Verein NUZ Natur- und Umweltschutz Zollernalb e. V. wieder entfernt werden. Einige Mitglieder hatten sich beschwert und auf eine politische Neutralitätspflicht des Vereins verwiesen. Diese jedoch ist in der Vereinssatzung gar nicht festgeschrieben. Es ist auch schwer vorstellbar, wie ein Verein mit diesem Anliegen sich politisch neutral verhalten sollte. Natur- und Umweltschutz sind PRIMÄR politische Themen! Dennoch ist die Rücksichtnahme auf die Meinung von Vereinsmitgliedern a prima vista nachvollziehbar und richtig. Das würde ich als Vereinsvorsitzende nicht anders machen.]
Back to Bläse: Fast hätte mich der neue Besen mit seinem verführerischen Eingeständnis rumgekriegt. Ahh: Er will endlich (?) nicht mehr „auf heile Welt machen“! Auf heile Welt machen, wie sie derzeit immer noch in Langenargen und vielen anderen Kommunen der Region verkündet wird. Die heile Welt, wie sie mit 185 Sonnenuntergangsbildern auf dem faschistoiden Facebook-Account „Langenargen – die Gruppe“ verkündet wird.
Aber ich will nicht schlecht von diesem üblen Internetplatz schreiben: Ganz aktuell produziert der jetzt schon handfeste Gründe für eine (spätere) Wahlanfechtung in Langenargen, falls diese die Bürger dort nicht endlich Krafft kostet!
Wo sind wir? Ah ja: Ostalbkreis. Da schwitzt schon der Landkreis-Name düstere Assoziationen von für immer verlorenem Lebensraum jenseits der letzten Höhenzüge an den ausgefransten Rändern der Erdenscheibe aus. Aber trotzdem möchte ich auch die Menschen dort nicht verloren geben. Ich schwöre!
*
Wie ernst ist nun der Nachfolger von Landrat Klaus Pavel (CDU) zu nehmen? Joachim Bläse gesteht den Ostalbkreis-Aborigines die schnörkellose Wahrheit.
Es ist schwer einzuschätzen, wie viele Leser die sprachliche Sensibilität und Aufmerksamkeit besitzen, diese Perle der Offenheit behutsam zu bergen, zu polieren, aufzubahren, täglich zu betrachten und sich bei jeder politischen Entscheidung des Landrats an ihre zentrale Botschaft zu erinnern:
[SchwäZ-Frage – Anmerk. K. B.] Wie wollen Sie bei denen, die Sie erreichen, das Vertrauen in die Demokratie, die Politik und Verwaltung wieder herstellen?
[Bläse-Eingeständnis – Anmerkg. K. B.] Man muss immer transparent sein. 20 Jahre bin ich in Gmünd dafür eingestanden, dass jede Nation ihren Platz in der Gesellschaft hat. Wenn dabei irgendetwas schlecht lief, habe ich in der Vergangenheit zu oft versucht, auf heile Welt zu machen, was im Nachhinein und selbstkritisch betrachtet, nicht gut war.
Daraus habe ich gelernt, es wird mir nicht mehr passieren. Wenn etwas nicht gut ist, wenn etwas kritisch ist – dann raus damit. Wir müssen dem Bürger das Gefühl geben, dass wir nichts zu verbergen haben. Auch denke ich, muss sich beim Thema Teilhabe der jüngeren Generation etwas verändern, denn ich merke, dass uns ein Teil der jungen Menschen gar nicht mehr vertraut. Das geht mir schon sehr an die Nieren. Wir müssen jungen Menschen zuhören und ihnen das Gefühl geben, dass wir sie auch verstehen.
(SchwäZ 05.10.2020: „Landrat Bläse will nicht auf heile Welt machen“; Hervorhebg. K. B.)
Darauf auf einen Hopfensteiner! Grandios. Es geht also nur um Gefühle, nicht um Fakten und überprüfbare Strukturen und erlebbare Verhältnisse. Bläse tritt sein Amt nicht etwa mit der Absicht an, den Bürgern zu zeigen und zu beweisen, dass „wir“ (i. e. die Verwaltung) nichts zu verbergen haben (hat). Nein, es geht nur darum, dem Bürger das „Gefühl“ zu geben, dass die Entscheider und Verteiler nichts zu verbergen haben.
Ein kapitaler Unterschied! Mit kapitalistischen Vorteilen …
Landrat Bläse tritt auch nicht mit dem Vorsatz an, junge Menschen durch absolute Transparenz und Mitwirkungsmöglichkeiten wieder der Kommunalpolitik näher zu bringen. Nein. Es reicht dem existentiell Abgesicherten, seinen weniger glücklichen Financiers einfach nur das „Gefühl“ zu geben, man höre ihnen zu und verstehe sie.
Das geschieht auf Kommunalebene vorzüglich durch solche Veranstaltungen wie die Auftaktveranstaltung „Gemeindeentwicklungskonzept Langenargen“ (hier), für die viel Steuergeld an irgendwelche Firmen, Organisatoren und Veranstalter fließt. Pur für ein Gefühl!
Die Adressierung von Gefühlen übrigens ist eine sehr erfolgreiche Strategie der Populisten!
Damit bleibt auch der neue Landrat des Ostalbkreises in den tiefschwarzen Fahrwassern dessen, was zunehmend politikverdrossene Bürger und die diversen Sonnenuntergangsbilder-Fans auf den einschlägigen Facebook-Accounts als endlosen kommunalen Filz, Vetterleswirtschaft und Korruption bis in höchste Ebenen empfinden und bezeichnen.
Alles andere hätte auch mein Weltbild erschüttert! So bleibt es der Leser nur selbst:
*
Neuerlicher Beweis für die Hofberichterstattung und den Verlautbarungsjournalismus der SchwäZ ist die Tatsache, dass der Interviewer Stichwortgeber Redakteur Thorsten Vaas diesen aufrüttelnden Moment landrätlicher Dämlichkeit Offenheit geflissentlich verpennt und dann schon lieber nicht nachfragt, ob es seiner Hoheit tatsächlich nur um ein „Gefühl“ geht!
Und schnell noch einmal zur Erinnerung – vorzüglich an meine Nicht-Baden-Württemberg-Leser: Bei uns werden Landräte vom Kreistag gewählt; und nicht etwa von der viel schwerer zu manipulierenden Unwägbarkeit „Volk“. Und bei uns in BW sitzen vorzüglich Bürgermeister in den Kreistagen!
Man nennt so etwas ein geschlossenes System!