TS34/21: Pfusch-Satire über Regionalplan: Staatsschutz ermittelt wegen Urkundenfälschung

Wir kommen zurück auf diesen Vorgang: Um den 20. Februar 2021 herum wurde auf mindestens zwei verschiedenen Verteilerwegen ein vermutlich als Satire intendierter, als solche aber nicht gekennzeichneter (Conditio qua non), dafür fatalerweise auch noch als „Postwurfsendung“ bezeichneter Text versandt.  Der stand noch dazu auf dem Briefpapier des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben (RVBO). Überschrift: „Regionalplan: Das kommt auf Sie zu“.

Inhaltlich war die Pfusch-Satire einwandfrei! Ich hätte sie sofort und ohne Änderungen unter welchem gewünschten Namen auch immer auf diesem Blog veröffentlicht und auch verantwortet. Allerdings ganz bestimmt nicht auf dem Briefpapier des RVBO. Und: deutlich als Satire gekennzeichnet. Dann wäre der Text überhaupt kein Problem gewesen.

Jetzt nimmt dieser bedauerliche und völlig unnötige Vorgang ziemliche Dimensionen an. Die SchwäZ hatte hier schon in eher reißerischer Art und Weise darüber berichtet. Bei diesem „Rundbrief“ von „Fälschung“ zu schreiben ist völlig daneben. Jeder Leser, der erfolgreich zwei Synapsen miteinander verkoppeln kann, muss erkennen, dass dieser Text unmöglich vom RVBO stammen kann.

Kostprobe:

Unser Entwurf ist das Ergebnis langer und intensiver Gespräche. Wir stimmten uns in zahlreichen Sitzungen mit Industrie und Wirtschaft ab, um ihre Perspektive gründlich zu verstehen, und finden, dass sich das Ergebnis sehen lassen kann!
(Textauszug aus der „Postwurfsendung an alle Haushalte in Bodensee-Oberschwaben“  unbekannter Verfasser auf dem Briefpapier des RVBO mit Datum 12.02.2021)

In diesem ironischen und von vielen RPBO-Kritikern als zutreffend empfundenen Stil geht es dann munter weiter zu den drei Schwerpunkthemen „Buskosten“, „Kiesexport“ und „Flächenversiegelung“. Auffallend ist, dass der/die Autoren mit präzisen Zahlen laborieren.

Eine weitere Kostprobe, die neuerlich belegt, dass kein Mensch im Ernst auch nur vermuten darf, dass dieser Text tatsächlich vom RVBO kommt:

Buskosten: Zahlreiche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass das Auto trotz aller Rede vom Klimaschutz das beliebteste Verkehrsmittel bleibt. Dem trägt unser Entwurf Rechnung. Die neue Bundesstraße B313neu durch den Wald zwischen Mengen und Meßkirch ist nur ein Element von vielen, das wir im Rahmen des größten Straßenneubauvorhabens der letzten Jahrzehnte auf den Weg bringen werden. Wir bitten um Verständnis, dass der schon jetzt mit knappen Gemeindemitteln bezuschusste Busverkehr daher nicht erweitert werden kann und in Zukunft teurer werden mussdie Alternative bestünde darin, auf Straßenneubauprojekte weitgehend zu verzichten und mit denselben Geldern den öffentlichen Personennahverkehr auszubauen und zu vergünstigen. Wir sind uns jedoch sicher, hier die bessere Variante gewählt zu haben, und außerdem zuversichtlich, dass im Rahmen eines Bürgerbeteiligungsprojekts eine Lösung gefunden werden kann, um die Prognosen zufolge aus dem Projekt resultierende erhöhte Lärmbelastung in den Innenstädten zu reduzieren.
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)

 

Presseauskunft der Staatsanwaltschaft Ravensburg
Der RVBO, der auch in seinen sonstigen öffentlichen Stellungnahmen zur breiten Kritik am vorliegenden Entwurf des Regionalplans keine Chance auslässt, die Kritiker zu marginalisieren und zu kriminalisieren, hatte sofort juristische Schritte – i. e. Strafanzeige – gegen diese „Postwurfsendung“ angekündigt (siehe auch hier).

Und der RVBO hat das auch tatsächlich getan. Eine Presseanfrage an die Staatsanwaltschaft Ravensburg (Sta RV) ergab zwar zunächst nur diese Auskünfte:

Das Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der von Ihnen genannten Postwurfsendung wurde nicht aufgrund einer Anzeige des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben eingeleitet, sondern von Amts wegen durch die Staatsanwaltschaft Ravensburg. Aufgrund unserer gesetzlichen Verpflichtung ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, sobald wir Kenntnis vom Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung haben, haben wir nach Kenntnis von den Postwurfsendungen ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verdachts der Urkundenfälschung eingeleitet.
Also konkret zu Ihren Fragen:
Zu 1: Eine Anzeige des RVBO liegt der StA bislang nicht vor. Das Verfahren wurde von Amts wegen eingeleitet.
Zu 2: Es besteht der Anfangsverdacht der Urkundenfälschung[.]
Zu 3: Das Verfahren richtet sich derzeit noch gegen Unbekannt[.]
Zu 4: Da uns keine Anzeige des RVBO vorliegt, kann ich diese derzeit nicht bewerten.
(schriftliche Presseauskunft Staatsanwaltschaft Ravensburg an diese Redaktion am 16.03.2021; Hervorhebg. K. B.)

Wie ich vermutet hatte: Urkundenfälschung. Ja: naheliegend, nachvollziehbar, logisch: Die „Satire“ (?) hätte auf keinen Fall auf dem Original-Briefpapier des RVBO gedruckt werden dürfen.

Dabei wäre es so einfach gewesen, sowohl Verbandsname wie Verbandslogo erkennbar satirisch zu verbiegen. Und schon hätte die ganze Sache – zusammen mit einem „V. i. S. d. P.“ – ihren strafbaren Charakter verloren und man hätte den RVBO nicht unnötig munitioniert!

Urkundenfälschung ist ein Offizialdelikt. Deshalb wird hier die Staatsanwaltschaft von sich aus aktiv.
*

Staatsschutz ermittelt
Aber es ist durchaus nicht so, dass der RVBO keine Strafanzeige erstattet hätte, wie eine telefonische Nachfrage beim Polizeipräsidium Ravensburg ergibt. Dort hängt die Anzeige derzeit noch fest, weshalb die Sta RV davon offiziell noch nichts weiß.

Telefonisch erhalte ich beim Polizeipräsidium zur Auskunft, dass der Staatsschutz ermittelt.

Ja, danke, Anke! Das haben die Verfasser der Pfusch-Satire ja prima hingekriegt. Staatsschutz? Also bitte: Ist das nicht ein bisschen drüber?
*

Schwerer Fehler: Aktionsbündnis hat sich nicht öffentlich distanziert
Für einen fatalen Fehler halte ich es persönlich auch, dass sich das neu gegründete Aktionsbündnis zukunftsfähiger Regionalplan (Info-Blog), in dem bisher über 20 Vereine und Initiativen versammelt sind, nicht sofort von dieser Pfusch- und Pseudo-Satire strafrechtlicher Sprengkraft öffentlich distanziert hat. Ich hatte bei den Verantwortlichen extra noch und zu einem frühen Zeitpunkt danach gefragt …

Ganz im Gegenteil: Im Gespräch mit einigen Akteuren des Bündnisses wurde diese „Postwurfsendung“ in bedenklicher Weise verharmlost. Sie sei rechtlich einwandfrei. Angeblich hätten sich die Verfasser vorher dazu fachmännischen Rat eingeholt.

Bitte? Im Leben nicht! Jeder in Äußerungsrecht einigermaßen basisgebildete Mensch sollte wissen, dass so etwas allein aufgrund der formalen Merkmale des Textes (1. auf RVBO-Briefpapier, 2. nicht als Satire gekennzeichnet; 3. kein Verfasser und „V. i. S. d. P.“ genannt) ein No-Go ist!

Und wer so etwas nicht weiß, sollte sich aus Aktionsbündnissen und anderen Organisationen, die auf erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit angewiesen sind, besser heraushalten.

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