+++ AFP und „Tagesspiegel“ schreiben Blödsinn wegen einstweiliger Verfügung
Och Mönsch, Kollegen vom Tagesspiegel & AFP: Kann man sich nicht schnell einmal sachkundig zum Thema machen, bevor man in einer derart wichtigen Sache wie dem Fall Jan Böhmermann so einen Blödsinn raushaut bzw. den Quatsch einfach von AFP übernimmt?
Erdogans deutscher Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger will nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP deshalb nun eine einstweilige Verfügung vorbereiten, die innerhalb eines Monats eingereicht werden müsse.
(Tagesspiegel 14.04.16: „Anwalt will einstweilige Verfügung gegen Jan Böhmermann einreichen“; Hervorheb. SaSe)
Kein Anwalt in Deutschland und auch nicht der von Großkotz Erdogan kann eine „einstweilige Verfügung einreichen“ (Überschrift) oder „vorbereiten“. Allerhöchstens kann er bei einem Gericht einen Antrag auf einstweilige Verfügung stellen, die im Übrigen auch nur ein Gericht erlassen kann!
Und in peinlicher juristischer Unkenntnis bzw. mit verabsäumter Einordnung geht es dann im Artikel weiter:
Unterdessen wurde ein internes Schreiben des ZDF-Redakteursausschusses bekannt. Die Redakteure fordern darin die Löschung der Erdogan-Satire aus der Mediathek zurückzunehmen. Das meldete Spiegel Online. Der Brief wurde dem Bericht zufolge am Donnerstagmorgen vom Redakteursausschuss über die Hauspost an alle Büros der ZDF-Zentrale in Mainz verschickt.
„Wir würden es begrüßen, wenn die ‚Schmähkritik‘ vom Giftschrank wieder in die Mediathek gestellt wird. Als Dokument der Zeitgeschichte“, heißt es dort. „Eine ZDF-Sendung bewegt Regierungschefs und ersetzt ein juristisches Proseminar. Programmauftrag erfüllt.“ Auch in anderen Sendungen wie „extra3“ würden Politiker teils hart kritisiert. (Tsp)
(ibid.)
Warum erfolgt hier nicht die von Journalisten zu erwartende Einordnung? Bei aller Bereitschaft, das ZDF zu kritisieren: Der Sender ginge ein juristisches Risiko ein, würde er das schon inkriminierte Werk weiter verbreiten. Ein Risiko für den Fall, dass die Gerichte später die „Strafbarkeit“ bestätigen. Das ZDF müsste im Veröffentlichungsfalle ebenfalls eine anwaltliche Abmahnung bzw. eine einstweilige Verfügung gewärtigen. Die juristischen Gegebenheiten sind eben leider so. Wie sinnvoll ist das Begehren der ZDF-Redakteure, von ihrem Sender zu verlangen, dieses doch erhebliche Risiko einzugehen?
Und bitte: Warum kennen ZDF-Redakteure diese rechtlichen Unwägbarkeiten nicht?
Wer jemanden fragen möchte, der sich mit so etwas auskennt: Bitteschön!
+++ ZDF bleibe hart: Kein Böhmermann-Gedicht in Mediathek
Siehe oben: Ein am Donnerstag bekannte gewordenes internes Schreiben der ZDF-Redakteure fordert vom Sender, das Böhmermann-Erdogan-Gedicht als Dokument der Zeitgeschichte wieder in der Mediathek einzustellen. Quelle. Das ZDF lehnt dieses Ansinnen ab – siehe oben!
Senf: Ich empfinde es als „lügenpresseartig“, in der Berichterstattung über die Haltung des ZDF nicht darauf hinzuweisen, was der Sender möglicherweise auch juristisch dagegen abwägt In der Berichterstattung wie oben aber wird der Eindruck der puren Bockigkeit oder des Kuschens gegenüber Erdogan erweckt.
+++ Claus Kleber erntet Lob für das Interview mit Erdogan-Anwalt
Es ist aber nicht alles schlecht am ZDF … und tut der viel gescholtenen „Lügenpresse“ sicherlich auch mal gut: Der ZDF-Nachrichtenmann Claus Kleber vom heute-journal erntet reiches Lob für sein Interview mit dem Erdogan-Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger.
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+++ Böhmermann habe das Prinzip der Menschenverachtung tief verinnerlicht
Es ist anhaltend faszinierend, welche Figuren und Meinungen die Causa Böhmermann aus den Löchern der Republik treibt. Der Staranwalt Gerhard Strate hat sich dazu in einem Gastbeitrag in der Hamburger Abendblatt zu folgenden Äußerungen verstiegen: Böhmermanns Satire sei eine „Art verbaler Lynchjustiz“ und Böhmermann habe das Prinzip der Menschenverachtung tief verinnerlicht. Meedia berichtet. Schön ausziehend dazu ist das beigefügte Foto, das den Anwalt mit dem erigierten Zeigefinger zeigt.
+++ „extra3“-Sendung thematisiert die Causa Böhmermann
Christian Ehring und Team gingen in der extra3-Sendung vom 14. April 2016 (Mediathek) im ARD-Hauptprogramm das Thema Böhmermann-Erdogan an. Die satirischen Attacken waren ultrasoft und bewegten sich vollständig auf juristisch sicherem Terrain (sofern es so etwas gibt).
Bemerkenswert und wohltuend war Ehrings Kritik an der Böhmermann-Schwäche, sich um Hilfe an Kanzleramtsminister Altmaier zu wenden. Ehring kritisierte das als eine peinliche Blöße des Satirestars.
Senf: Die ließe sich durch die Überlegung ergänzen, dass sie vielleicht als unüberlegte Panikreaktion angesichts des enormen Drucks zumindest menschlich nachvollziehbar ist.
Satiretechnisch raffiniert war die auf ein anderes Themengebiet – nämlich den britischen Premier Cameron – ausgelagerte Anspielung auf den Böhmermann-Erdogan-Eklat. In einem Zusammenschnitt von Fernsehaufnahmen sah man den Regierungschef mit einem kleinen Schwein. Die Stimme aus dem Off kommentierte überdeutlich schnell und absichtlich verhaspelt, Cameron würde Schweine …. streicheln. Yes! DAS sind die subtilen Mittel der Satire. Und die hohe Kunst der Satire liegt eben darin, gerade auf juristisch vermintem Gelände die Attacken so grazil anzulegen, dass die Schlaumeier-Juristen keine Angriffspunkte finden (Beispül). Leider blieb die beschriebene Szene satiretechnisch ein einsamer Höhepunkt der Sendung.
+++ Offtopic: Brisante „Monitor“-Sendung
Die Welt dreht sich weiter – auch abseits von Jan Böhmermann & Co. Die Monitor-Sendung gestern Abend (Mediathek) war brisant. Der Beitrag über den „Großinvestor“ Renè Benko steht dabei auch durchaus im weiteren thematischen Zusammenhang mit Satire – siehe SaSe89. Besondere Brisanz jedoch hatte der Beitrag über vertrauliche (!) EU-Dokumente, die belegen, in welchem Ausmaß die EU in der Flüchtlingspolitik mit afrikanischen Despoten verhandelt.