TS55/19: Schwäbische Zeitung Tag der „offenen“ Tür: Freche Leser-Verposchung mit Voranmeldung

Politischer Kampfbegriff (der vornehmlich Rechten) oder ein Phänomen mit bedrohlichem Wahrheitsgehalt: „systemtreue Medien“? Beobachte ich solche Tageszeitung-Sauereien wie diese und suche dann nach einem passenden Begriff, lande ich unversehens und  darob erschrocken bei: „systemtreue Medien“. Wobei – wichtig! – das System, dem hier die Treue gehalten wird, eben gerade nicht die verfassungsmäßigen Grundsätze  – etwa die Unabhängigkeit der Presse – sind. Das „System“, dem die beiden Regionalzeitungen in meinem Fokus die Treue halten, ist das der Macht. Um Verwechslungen nach rechts auszuschließen, böte sich dann der Begriff der „machttreuen Medien“ an?

Wenn dieser Vorwurf auf unsere Region heruntergebrochen Substanz haben will, wäre nach weiteren Belegen dafür zu suchen, dass auch die Medien hier (die beiden Tageszeitungen in den Landkreisen Sigmaringen, Bodenseekreis, Biberach etc.) das tun, was der Vorwurf an die Medien bundesweit ist: die Menschen an die buckelige Verwandtschaft von Sinn zu gewöhnen, als da wären Irr, Un, Wider, Blöd, Schwach sowie der Adoptivenkel und Intensivtäter Dummfug.

Und: bingo! Die Schwäbische Zeitung (SZ) lud am Freitag, den 24. Mai 2019, zu einem „Tag der offenen Tür“ ein mit – und jetzt kommt’s: VORANMELDUNG!
Dummfug lässt sich mit begeistertem Schenkelklopfen schon mal auf dem Sessel von Chefredakteur  Hendrik Groth nieder. Seine schmuddelige Verwandtschaft klopft ihm stolz auf die Schulter.

Ein „Tag der offenen Tür“ mit Voranmeldung! Wie kommt man denn bitte auf so ein schmales Brett?

Dabei ist der Grund oder Anlass für diese widersinnige Transparenzinitiative durchaus ernst:

der klassische und unabhängige Journalismus steht unter Druck. Kollidiert die Meinung einiger Leser und User mit der Berichterstattung, sind für sie oft finstere Mächte am Werk. Oder die Zeitung lügt in ihren Augen ganz einfach. Es gilt für uns Journalisten, dagegen anzukämpfen. Deshalb erklären wir bei einem Tag der offenen Tür unsere Arbeit und stellen Transparenz her.
(Schwäbische Zeitung Chefredakteur Hendrik Groth Einladung zum Tag der offenen Tür mit Voranmeldung)

Beachten Sie die schon hier gemachten Unterstellungen:
1. Der klassische Journalismus ist/war (?) unabhängig.

2. Der klassische Journalismus ist identisch mit dem unabhängigen Journalismus, sonst stünde das Verb im Plural.

3. Kritik ist nicht grundsätzlich berechtigt, sondern wird der Infantilität der Kritiker angehäkelt, die sich – so die hier gemachte Behauptung – alle von Verschwörungstheorien leiten lassen. Mit atemberaubender Arroganz fällt Groth hier ein Pauschalurteil über alle SZ-Kritiker. Gleichzeitig schließt er mit diesem Pauschalurteil aus, dass es überhaupt Verbesserungspotenzial bei der SZ geben könnte.

4. Journalisten sind Kriegsteilnehmer: Sie müssen kämpfen. Keinesfalls müssen sie sich der Kritik stellen, sie überprüfen, ggf. Fehler einräumen und den Dialog mit den Kritikern suchen.

5. Angeblich „erklärt“ die Schwäbische Zeitung bei einem Tag der offenen Tür ihre Arbeit und will solcherart „Transparenz“ herstellen.

Auch bin ich unsicher, was Chefredakteur Hendrik Groth denn bitte mit „unabhängigen Journalismus“ meint, den zu vertreten er den wenig glaubhaften Anspruch erhebt. Meint er damit zum Beispiel Anrufe von SZ-Redakteuren bei anderen Journalisten, die ihren Kollegen einmal eben die richtige Sicht der Dinge aufdübeln wollen?

Welchen „unabhängigen Journalismus“ meint der SZ-Chefredakteur, wenn seine Kollegen sich der Exekutive dienstbar machen und die Redaktion diverser Amtsblätter übernehmen? Wo ist hier noch das (verfassungsgemäße) System in Form von Gewaltenteilung?

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Faktencheck führt zur Wahrhaftigkeitsunterdeckung

Zumindest zu Punkt 5 ist der Faktencheck relativ einfach durchzuführen und entlarvt die SZ der Lüge!

Erleben Sie Journalismus, indem Sie sich von uns im Newsroom zeigen lassen, wie wir arbeiten, damit Sie täglich gut informiert bleiben.
(ibid.)

Jetzt wollen wir uns einmal nicht die Augen reiben: Ohne weitergehende Beweisführung dürften mir die Leser zustimmen, dass es sicherlich nicht die SZ-Seiten Weltpolitik, Wirtschaft, Sport etc. sind, die Menschen dazu veranlassen, sich diese Zeitung zu kaufen oder sie gar zu abonnieren. Die SZ ist eine Regionalzeitung. Sie wird gekauft oder abonniert, um über das Lokalgeschehen auf dem Laufenden zu bleiben.

Und genau für den Bereich kann weder die SZ noch der Südkurier zeigen, „wie wir arbeiten“. Denn für diesen Hauptberichtsbereich einer Lokalzeitung werden überwiegend sogenannte freie Mitarbeiter eingesetzt. Es sind Freie, die in den Gemeinderatssitzungen sitzen und darüber berichten. Es sind Freie, die eine kontinuierliche Information über Vereinsarbeit herstellen und über kulturelles Leben vor Ort berichten. Selbst bei so wichtigen Veranstaltungen wie der zur Diskussion des Regionalplans Bodensee-Oberschwaben in Salem entsendet zum Beispiel der Südkurier einen „Freien“, der der anspruchsvollen Aufgabe nach Meinung der Leser überhaupt nicht gewachsen war.

Lieber Herr Groth, bei aller unsatirischen Nüchternheit: Wie wollen Sie denn Ihren Lesern zeigen, unter welchen haarsträubenden Bedingungen Ihre „Freien“ arbeiten müssen?

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Transparenz: Schweinehonorare für Freie
Fangen wir doch bei deren Honorierung an? Ist es nicht zutreffend, dass auch die SZ als Mitglied des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger im Februar 2017 den Vertrag für die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalisten und Journalistinnen an Tageszeitungen gekündigt hat? Dieser Vertrag schrieb zumindest einmal Mindesthonorare für Freie fest, die es mir zum Beispiel ermöglicht haben, 130 Prozent der mir im Zeitfenster X vom Südkurier bezahlten Honorare für freie Mitarbeit erfolgreich einzufordern. Das jedoch war nur nachträglich und erst nach meinem Rauswurf beim Südkurier möglich. Welcher Freie auch immer seine durch viele höchstgerichtliche Urteile bestätigten Rechten durchsetzt, findet nie mehr einen Job bei einer Tageszeitung in der Region.

Hinweis für die SaSe-Leser: Die Honorare für Freie bei Südkurier und SZ unterscheiden sich nur geringfügig. Unbelegten Behauptungen zufolge sollen sie bei der SZ sogar noch niedriger sein!

Haben Sie, Herr Groth, am vergangen Freitag „Transparenz“ dazu hergestellt, dass ein solcher Freier für den Bericht über eine in der Regel zwei Stunden dauernde Gemeinderatssitzung plus Anfahrtszeit, plus ggf. Recherche, plus Schreiben des Artikels, plus Einpflegen des Artikels in Ihr digitales Redaktionssystem mit einen Stundenlohn von zum Beispiel 4,44 Euro (eins von vielen Beispielen hier) rauskommt? Das ist für eine selbstständige Tätigkeit ein Honorar, das weit unter dem Mindestlohn liegt!

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Transparenz: Unabhängige Berichterstattung von Abhängigen?
Haben Sie am Freitag für Ihre Leser Transparenz dazu hergestellt, dass Ihre sogenannten Freien, auf der die Hauptlast der kommunalen Berichterstattung ruht, durch die von den Redaktionen festgelegten Einsatzgebiete gar nicht unabhängig berichten können? Weil sie nämlich in der Gemeinde, die dringend kritische Berichterstattung über ihre Kommunalpolitik verdient, leben (müssen).  Ich kann nicht über die undemokratischen Äußerungen des Gemeinderats X in meiner Wohngemeinde berichten, der im Hauptberuf Landwirt ist und mir am Tag nach dem Erscheinen meines Artikels mit dem Traktor auf dem schmalen Wirtschaftsweg entgegenkommt, wo ich auf seine Rücksichtnahme wegen meiner Hunde angewiesen bin. Ich kann nicht kritisch über das Blockadeverhalten bei einem wichtigen politischen Vorhaben von Gemeinderat Y berichten, weil er der Schwager vom Vermieter meiner Schwester ist und die zwei sich ohnehin schon nicht grün sind. (Verständnishinweis: Ich habe keine Schwester!)

Natürlich wäre dieses Problem ganz leicht zu lösen: journalistischer Einsatz des Freien A, der in der Gemeinde B lebt, ausschließlich in der Gemeinde C. Ganz einfach. Aber gerade weil die Lösung so einfach ist, jedoch nicht praktiziert wird, umschlingt uns schon wieder der verunglückte Genpool von Sinn. Dann bleibt ja nur die Schlussfolgerung übrig: Es ist so gewünscht! Unabhängige Berichterstattung wird durch verlagsinterne Strukturen verunmöglicht.

Haben Sie, Herr Groth, Ihren Lesern transparent gemacht, dass in der Gemeinde Inzigkofen (Landkreis Sigmaringen) zumindest im Jahr 2016 die Ehefrau eines Gemeinderats für die SZ-Gemeinderatsberichterstattung zuständig war (ist)? Wo ist da noch Unabhängigkeit im SZ-Journalismus?

Haben Sie, Herr Groth, Ihren Lesern transparent gemacht, dass der Freie Andy Heinrich, der für die SZ über die Gemeinde Langenargen berichtet, Auftragnehmer dieser Gemeinde ist oder war und mithin gar nicht unabhängig berichten kann?

So ein Tag der Katzenklappe mit Voranmeldung lebt ja auch immer von eingestreuten Anekdoten. Sicherlich hätte es Ihre handverlesenen Besucher interessiert zu hören, dass Andy Heinrich unmittelbar nach meiner diesbezüglichen Veröffentlichung seine Homepage „bereinigt“ und den Hinweis auf die ach so tolle Zusammenarbeit mit der Gemeinde Langenargen gelöscht, also intransparent gemacht hat?

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Bildzitat Screenshot der Homepage des Bildjournalisten Andy Heinrich (Farbmarkierungen von K. B.)

Bildzitat Screenshot der Homepage des Bildjournalisten und SZ-Mitarbeiters Andy Heinrich am 02.01.2019  (Farbmarkierungen von K. B.). Dieser Eintrag mit Danksagung an die Gemeinde Langenargen wurde unmittelbar nach Erscheinen des SaSe-Artikels gelöscht.

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Natürlich geben Sie und der Südkurier sich bei diesem Thema nichts. Wie man allerdings derart dämlich sein kann, einem Gemeinde- und Ortschaftsrat und mithin politischem Amtsträger auch noch öffentlich für seine jahrelangen Dienste als „Freier“ im Auftrag des Südkurier zu danken, wie das der Redakteur Gregor Moser in Meßkirch im Sommer 2016 für den Ortschafts- und Gemeinderat Karl Mägerle getan hat (hier), diese Frage konnte ich mir bis heute nicht beantworten. Eventuell hatte Moser darauf spekuliert, dass sich die Südkurier-Leser schon längst daran gewöhnt haben, dass eine solche Form von Journalismus das glatte Gegenteil von unabhängig ist.

Haben Sie, Herr Groth, Ihren Lesern „transparent“ gemacht, dass viele der sogenannten Freien, auf denen, ich wiederhole mich, die Hauptlast der kommunalen Berichterstattung liegt, gar keine Journalisten sind? Der Fundus an Berufen, denen diese Freien eigentlich nachgehen, ist überwältigend: Da finden sich ehemalige Bundeswehroffiziere (Neuhausen ob Eck), Physiotherapeutinnen, Rentner, Lehrer und was das an journalistischer Professionalität uninteressierte Herz sonst noch begehrt.

Wissen Ihre Leser und Abonnenten, dass die meisten dieser Freien noch nicht einmal einen Presseausweis vorlegen können? Haben Sie Ihrer Zielgruppe transparent gemacht, dass sich für die meisten dieser Freien keinerlei Publikationen außerhalb Ihrer Zeitung nachweisen lassen? (Was nicht zuletzt deshalb so wichtig ist, um dem Vorwurf der Scheinselbstständigkeit zu entkräften.)

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Keine Transparenz, aber klare Verposchung

Es ist keine Unterstellung, sondern einzig möglicher Rückschluss aus Ihrer Einladung, dass Sie weder Ihre Leser/Abonnenten noch die an unabhängiger Presse interessierten Bürger dieses Landes ernstnehmen, wenn Sie in Ihrer Einladung zum Tag der offenen Tür mit Voranmeldung allen Ernstes ankündigen, durch eine Podiumsdiskussion für die „nachdenkliche Note“ sorgen zu wollen.

Eine „Podiumsdiskussion“ lebt von widerstreitenden Meinungen. Auf Ihrem Podium sitzen zunächst einmal Personen, die in ihren Interessen an die SZ gebunden sind. Zum Beispiel: Sie selbst! Welche Interessen werden Sie wohl dort vertreten wenn nicht die der SZ? Welche Interessen wird ein SZ-Geschäftsführer Kurt Sabathil vertreten, wenn nicht die der SZ? Und als Krönung der gute Richard Gutjahr, dem alle Verschwörungstheoretiker sein exzellentes Timing beim Jahresurlaub 2016 neiden, das ihn exakt zum Zeitpunkt des Terroranschlags in Nizza auf einen berichterstattungsidealen Balkon unmittelbar über der Promenade führte.
Meine Gratulation aber zu der Akquise des Medienwissenschaftlers Klaus Meier. Ein Ruf wie Donnerhall, den ich, selbst Medienschaffende, erst einmal googeln musste. Nie nich von jehört!

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Opferrolle statt Transparenz

Psychologisch scheint mir Ihr Konzept für einen Tag der Tür, die sich nur für Vorangemeldete öffnet, durchaus überzeugend. Denn die Opferrolle funktioniert immer. Das leben uns die Rechtspopulisten täglich vor. Deshalb ist der von Ihnen angekündigte „Hate-Slam“, bei dem Ihre Redakteure „die bösesten und kuriosesten Leserbriefe“ vorlesen, nicht gerade brillant, aber in der Funktionalität bewährt.
Gab‘s da noch eine Extra-Werbeanzeige von Tempo just in time zur Veranstaltung? Sonst müssten Sie sich bei Ihren Kollegen vom Südkurier noch einmal zur manipulativen Ko-Inzidenz von bezahlten Anzeigen und angeblichen redaktionellen Beiträgen ohne erkennbare journalistische Inhalte beraten lassen.

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Transparentes Fazit
Wir fassen noch einmal zusammen:
+ Ein „Tag der offenen Tür“, zu dem sich die Besucher anmelden müssen, ist kein Tag der offenen Tür.

+ Sie behaupten, Ihre Besucher über die journalistische Arbeit der SZ informieren zu wollen. Das können Sie gar nicht. Die Hauptlast dieser Arbeit liegt bei den Freien, die nicht nur unter unsäglichen Bedingungen arbeiten müssen, sondern dafür noch mit Honoraren abgespeist werden, die nicht selten unter dem Mindestlohn liegen.

+ Wo ist der Lokaljournalismus der SZ „unabhängig“, wenn Schwäbisch Media gleichzeitig die Redaktion von Amtsblättern in verschiedenen Gemeinden versieht und damit Teil der Exekutive wird.

+ Wo ist der Lokaljournalismus der SZ „unabhängig“, wenn einzelne Freie gleichzeitig Auftragnehmer der Kommunen sind, deren Arbeit sie kritisch begleiten sollten?

+ Wo ist der Lokaljournalismus der SZ „unabhängig“ bzw. seriös, wenn Ihre Redakteure andere Journalisten anrufen, um sie auf den rechten Weg zu bringen?

+ Als Chefredakteur der SZ urteilen Sie pauschal alle Kritiker als Verschwörungstheoretiker ab und machen sie lächerlich. Ihre Einladung lässt keinen Raum für die Möglichkeit, dass Kritik an der SZ eventuell auch berechtigt sein könnte. Mithin gibt es bei der SZ kein Verbesserungspotential.

+ Sie bieten eine Podiumsdiskussion an, bei der kein einziger bekannter Vertreter aus den gut bestückten Reihen reichweitenstarker Medienkritiker vertreten ist.

Sie beklagen die Krise des „klassischen“ Journalismus? Mit so viel Unaufrichtigkeit, wie sie Ihre Einladung zum Tag der offenen Tür am 24. Mai 2019 dokumentiert, tragen Sie wesentlich zu dieser Krise bei!

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