Sehr geehrter Herr Franz Jehle,
bitte verzeihen Sie die Form des „offenen Briefes“ für meine scheue Kontaktaufnahme mit Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender der CDU Salem. Aber von der Gemeinde Wain (Landkreis Biberach) und aus Spaichingen (Landkreis Tuttlingen) hatte ich als Publizistin zu lernen, dass sogenannte offene Briefe in der Kommunalpolitik immer final markieren, wenn die Kacke so richtig am Dampfen ist.
Und dieser Befund Wärme abgebender Hinterlassenschaft lässt sich für die aktuellen Zustände in Salem doch durchaus konstatieren? Also die Zustände, die eingetreten sind, nachdem der Salemer Bürgermeister Manfred Härle (gehört witzigerweise zur selben Partei wie Sie!) meinte, im Windschatten von Corona ohne Beteiligung des Gemeinderats eine sogenannte Eilentscheidung über sage und schreibe 3,4 Millionen Euro fällen zu müssen. (Hier lesen sich SaSe-Leser zum Thema ein).
Besonders hässlich an der Causa: Nun rafft sich der Südkurier schon einmal zu zarter Kritik auf, da unterläuft ihm leider noch ein Fehler hinsichtlich der erlaubten oder nicht statthaften Zahlengrenzen für derlei „Eilentscheidungen“. Den Südkurier-Kollegen neigt sich mein vollstes Verständnis zu: Bei der Komplexität des heutzutage in Deutschland geltenden Verwaltungsrechts als Journalist*in hier einen Fehler zu machen, ist nahezu unvermeidlich. Fragen Sie besser nicht, wie oft mir das schon passiert ist. Und der Südkurier hat diesen Fehler ja auch formvollendet richtiggestellt.
Aber am langen Ende von jeder Menge Südkurier-Artikel, gleich zweifach erfolgenden Anfragen an das Landratsamt Bodenseekreis und einem erfrischend Demokratie stärkenden Kommentar der Südkurier-Redakteurin Jenna Santini, kamen ja endlich Sie daher!
Wow, so eine tolle „Pressemitteilung des CDU-Ortsverbands Salem“. Davon muss die Welt Kunde erhalten, weshalb ich das bemerkenswerte Dokument hier im Original verlinke. Mitsamt dessen Meta-Daten.
Darin schreiben Sie unter vielen anderen bumswichtigen Dingen und zur moralischen Orientierungen aller niederen Existenzformen:
Und wenn es um die Kritik an einer Person des öffentlichen Lebens geht, dann hat der CDU – Ortsverband Salem den Wunsch und die Bitte, dass der Sachverhalt im Vorfeld gründlich recherchiert und aufgearbeitet wird, um Halb- und Unwahrheiten möglichst zu vermeiden.
(„Pressemitteilung des „CDU-Ortsverbandes Salem : CDU steht hinter Eilentscheidung des Bürgermeisters“; Hervorhebg. K. B.)
Sie haben ja soo Recht! Sie wissen gar nicht, wie Recht Sie haben. In aller Bescheidenheit weise ich darauf hin, dass auch ich in meinem publizistischen Gesamtwerk wieder und wieder die Bedeutung gründlicher Recherche betone.
Sozusagen mit Ihrem ganz persönlichen Segen habe ich dann mal zu der angeblichen Pressemitteilung des CDU-Ortsverbandes Salem „gründlich recherchiert“, um „Halb- und Unwahrheiten möglichst zu vermeiden“.
Und jetzt bin ich völlig verstört. Vielleicht wissen Sie (nicht?), dass digitale Dokumente sogenannte Meta-Daten enthalten. Die geben dann zum Beispiel Auskunft darüber, wann und vor allem wer ein Dokument verfasst hat. Personen, denen es an der Manipulation der Öffentlichkeit gelegen ist, sind deshalb gut beraten, diese Meta-Daten – etwa eines pdf-Dokumentes, das angeblich vom CDU-Ortsverband Salem stammt – vorher gleichfalls zu manipulieren.
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Aber ich bin völlig zuversichtlich, dass Sie als Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Salem und als Sachwalter von „gründlicher Recherche“ und der strikten Vermeidung von „Halb- und Unwahrheiten“ mir und der durch meinen Blog hergestellten Öffentlichkeit erklären können, warum in den Meta-Daten dieser angeblichen CDU-Ortsverband-Salem-Pressemitteilung als Autor ein gewisser Herr B. genannt ist. Herr B. ist nach meinen Rechercheergebnissen, die aber vermutlich niemals an Ihre hehren Ansprüche zu dieser Tätigkeit heranreichen werden, stellvertretender Amtsleiter im Rathaus Salem.
Erstellt hat Herr B. das Dokument am 18. Mai 2020 um 10.14 Uhr. Das war ein Montag. Vormittags. Normale Arbeitszeit in Rathäusern und so. Also ich kann es mir ja nicht vorstellen, aber denken Sie, dass hier möglicherweise CDU-Parteiarbeit auf Steuerzahler-Kosten von Rathausmitarbeitern während üblicher Geschäfts- und Amtszeiten erledigt wird? Niemals!
Vergeben Sie mir die scheue Frage: Wieso schreibt ein Mitarbeiter von Bürgermeister Manfred Härle eine Pressemitteilung des CDU-Ortsverbands Salem, die den völlig unverdächtigen Titel trägt: „CDU steht hinter Eilentscheidung des Bürgermeisters“.
Ich bin verwirrt: Wer steht hinter wem? Und für wen ist das dann noch eine Überraschung?
Erschwerend kommt für mich hinzu, dass die Fraktionssprecherin der CDU Salem mir heute am Telefon die Auskunft erteilt, dass diese angebliche CDU-Pressemitteilung vorher nicht mit ihr (also der CDU-Fraktion im Salemer Gemeinderat) abgesprochen worden sei. Wörtlich lautete ihre Auskunft: „Die Pressemitteilung ist an unserer Fraktion vorbeigelaufen.“ Die Fraktionssprecherin Petra Herter schränkte diese Auskunft zwar insoweit noch ein, dass sie heute Abend (25.05.2020) in einer CDU-Fraktionssitzung gern noch die Kollegen fragen möchte, ob die VOR (!) dem Versand dieser Mitteilung an die Presse je von diesem „CDU steht hinter Eilentscheidung des Bürgermeisters“-Pamphlet gehört hätten.
Nennen Sie mich ignorant: Aber wenn die Fraktionssprecherin selbst schon nichts davon weiß, würde mich persönlich das Wissen weiterer CDU-Gemeinderäte auch nicht so arg beeindrucken?
Finden Sie es nicht etwas schäbig, meinen Südkurier-Kollegen wegen eines nicht banalen Fehlers am Zeuge zu flicken (upps – wer schreibt?), während Sie noch nicht einmal eine Pressemitteilung verfassen können? Also ich meine: selbst schreiben können?
Ich überlasse es jetzt ganz Ihnen und Herrn B. oder auch Herrn Bürgermeister Manfred Härle, welcher der Herren, die ja offensichtlich gemeinschaftlich unter dem Label „CDU-Ortverband Salem“ firmieren, mir antworten und das Mysterium klären möchten.
Selbstverständlich kommt Ihre, ihre oder seine Stellungnahme ungekürzt auf diesem Blog zum Abdruck.
Wir hören?
Mit freundlichen Grüßen
Karin Burger
Redaktion SatireSenf.de
Aktualisierung vom 17.06.2020:
Dieser offene Brief hat inzwischen juristische Konsequenzen nach sich gezogen. Bitte lesen Sie dazu meinen nächsten offenenBrief an den Salemer Bürgermeister Manfred Härle in TS89/20.