Vorab-Informationen zur Einordnung nachstehenden Briefes:
Die Spannungen und Auseinandersetzungen in der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen zwischen einzelnen Bürger und Bürgergruppierungen (z. B. der Verein Gastgeber Uhldingen-Mühlhofen e. V. GUM) auf der einen, Bürgermeister Edgar Lamm und Gemeinderat auf der anderen Seite, ziehen sich nun schon seit mehreren Jahren hin. SaSe hatte darüber verschiedentlich berichtet: hier, hier, hier und hier.
Aktuell geht der Streit insbesondere um das Objekt „Alte Schule“ in Unteruhldingen. Die im Besitz der Gemeinde befindliche Immobilie sollte gemäß eines Gemeinderatsbeschlusses aus dem Jahr 2018 verkauft werden. Dagegen regte sich massiver Unmut bei den Bürgern, der seinen Höhe- und mannigfaltigen Artikulationspunkt am 3. Dezember 2018 auf einer „Informationsveranstaltung“ im „Welterbesaal“ fand (SaSe-Bericht dazu).
Im Internet findet die Auseinandersetzung zwischen kritischen Bürgern und Gemeinde (i. e. Bürgermeister und Gemeinderat) auf drei strikt voneinander getrennten Plattformen statt: Da sind zum einen die – häufig als unkritisch kritisierte – Berichterstattung des Südkuriers sowie die Verlautbarungen im Amtsblatt. Auf der Kritikerseite werden regelmäßig Artikel und Statements sowohl auf der Webseite des GUM wie auch im Forum Langenargen (Achtung: diverse Rubriken dort wie hier, hier und hier; die Beiträge dort sind leider nicht einzeln verlinkbar!) veröffentlicht.
(Zur Erklärung dieser Solidarität: In Langenargen läuft eine vergleichbare Auseinandersetzung zwischen kritischen Bürgern und BüM/Gemeinderat. )
Seit Herbst 2018 wird das Gesamtkunstwerk des bisher wenig konstruktiven Streits überdies noch von mir besenft.
Eine direkte Auseinandersetzung zwischen beiden Seiten fand bisher nicht statt, sieht man von Wortmeldungen auf Veranstaltungen wie der im Welterbesaal oder im öffentlichen Teil von Gemeinderatssitzungen ab. Die Kritiker in Uhldingen-Mühlhofen beklagen glaubhaft, dass sie häufig keine Antwort auf Mails an BüM oder Gemeinderäte erhalten. Dieser Eindruck wird bekräftigt durch: Der unbeteiligten Betrachterin von außen bleibt es nicht nachvollziehbar, warum bei einer so wichtigen Veranstaltung wie der Jahreshauptversammlung der Mittelstandvereinigung (!) GUM Anfang Dezember 2018 keine Gemeindevertreter anwesend waren. Das ist unüblich (zarter Hinweis auf meine Lokaljournalismus-Empirie beim Südkurier).
Nun liegt zum ersten Male (zumindest in dem kleinen zugigen Zeitfenster meiner Beobachtung) eine Stellungnahme eines Gemeinderats aus Uhldingen-Mühlhofen zu dem Thema „Alte Schule“ sowie zu der Bürgerkritik insgesamt vor. Es handelt sich um einen Brief bzw. eine Mail des SPD-Gemeinderats Dr. Wolfram Klaar an einen kritischen Bürger vom 16. Januar 2019. Ich danke Herrn Dr. Klaar ausdrücklich für die Genehmigung, diesen Brief auf SaSe veröffentlichen zu dürfen. Das ist deshalb so wichtig, weil dieser Brief meines Erachtens umfassend darlegt, warum es mit der Kommunikation zwischen kritischen Bürgern auf der einen und Gemeinderäten sowie Bürgermeister auf der anderen Seite nicht klappt und unter diesen Voraussetzungen auch gar nicht klappen kann. Dazu wird es auf diesem Blog in einem separaten Artikel noch eine Analyse des Schreibens und einen Kommentar geben.
Die Bedeutung dieses Briefes wird auch durch den Umstand unterstrichen, dass Dr. Klaar in einem Telefonat mir gegenüber glaubhaft versichert, für dieses Schreiben breite Unterstützung im Gemeinderat gefunden zu haben. Seine Ratskollegen hätten ihrer Erleichterung darüber Ausdruck verliehen, dass „endlich mal jemand gegen die Stänkerei [der Kritiker – Anmerkung K. B.] Stellung nimmt“.
Um den Vorgang als solchen korrekt einordnen zu können, ist darauf hinzuweisen, dass der Artikel des Autors (und Bürger in Uhldingen-Mühlhofen) Peter Groß, der das Schreiben von SPD-Gemeinderat Dr. Klaar ausgelöst hat, nie im Internet erschienen ist und dem Vernehmen nach auch nicht mehr erscheinen wird. In der Überschrift zu dem Artikel war dem Autor ein Fehler unterlaufen, wie er jedem Publizierenden einmal passiert. Es ehrt den Verfasser des Beitrags, das Versehen einzugestehen und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Wenn sich die Gegenseite auch so ehrlich und konstruktiv im Umgang mit Fehlern verhalten würde, wäre ein größerer Teil der Probleme schon vom Tisch.
Hinsichtlich der Prozessqualität wäre meines Erachtens noch zu erwägen, auf die Versendung von Artikeln per Mail an einzelne Adressaten der Kritik ganz zu verzichten, bevor diese Beiträge nicht wirklich im Internet erschienen sind. Überdies wissen die Kritisierten inzwischen wohl ganz genau, wo im WWW sie Kritik finden, wenn sie ihrer bedürfen. Im Übrigen war ja auch gerade im Jahr 2018 zu lernen, dass die „Fehler“ aufseiten von Gemeinderat & BüM dann doch die etwas gravierenderen Auswirkungen haben und sich höchstrichterlicher Schelte aussetzen … als Ungenauigkeiten von kritischen und publizierenden Bürgern, von denen man schlechterdings nicht erwarten kann, dass sie die gesamte äußerungsrechtliche Rechtsprechung der Gegenwart auf ihrer geistigen Festplatte haben.
SatireSenf veröffentlicht nachstehend die E-Mail von SPD-Gemeinderat Dr. Wolfram Klaar mit dessen Einverständnis im Original und in voller Länge. Schweren Herzens verzichte ich auch auf meine sonst üblichen „[sic]“s, weil diese die Lesbarkeit des Textes beeinträchtigen würden. Der Text des Briefes ist kursiv gesetzt und farblich gekennzeichnet. Die Hervorhebungen (Fettdruck) stammen vom Verfasser des Briefes.
Uhldingen-Mühlhofen, 16.1.2019
Lieber Herr [Name des Adressaten entfernt – K. B.],
vermutlich aus geistiger Fürsorge für mich, und weil Sie befürchten, ich könnte diese exqisiten Artikel von Herrn Groß nicht selbst im Netz finden, haben Sie mir nun zum wiederholten Mal einen solchen zugeschickt, mit dem Prädikat, dass er interessant sei (für wen auch immer?). Herr Groß, der Verfasser, schickt mir selbst hin und wieder seine Texte zu, und ich habe ihm auch schon einmal darauf geantwortet. Da er ein außerordentlich produktiver Autor ist, hat er wohl Verständnis dafür, dass das nicht immer geht. Leider weiß ich nicht, ob Sie als Bruder im Geiste an seiner Produktion beteiligt sind. Es würde mich nicht überraschen. Auch möchte ich klarstellen, dass ich Ihre und Herrn Groß’s Bemühungen um das Wohl unserer Gemeinde im Prinzip durchaus positiv finde, auch, oder gerade weil ich mich dabei mit meinem eigenen Tun und meiner Haltung in Frage gestellt sehe. Allerdings habe ich insgesamt mit der Form und den Inhalten dieser Kritik immer wieder erhebliche Probleme. Zu dem Artikel von Herrn Peter Groß mit der Überschrift: Gastgeber Uhldingen-Mühlhofen e.V. unterstützt Initiative für einen Bürgertreffpunkt in der Alten Schule.
Erste Anmerkungen:
Die Überschrift hat mit dem Inhalt so gut wie nichts zu tun. Lediglich die Mitglieder des GUM werden ein einziges Mal, und das in einem Nebensatz, erwähnt. Die in der Überschrift enthaltene Nachricht wird mit keiner Silbe belegt. Thema verfehlt? Äußert sich Herr Groß vieĺleicht im Namen und Auftrag des Vereins? Kann er nicht, denn er ist dazu nicht authorisiert. Meine gewagte Schlussfolgerung: Herr Groß und Sie selbst unterstützen eine solche Initiative, wenn es sie denn gäbe. Was und wer aber sollen Inhalt, Initiator, Federführer und verantwortliche Träger sein? Wo sind die Merkmale niedergelegt? Wie sähe ein Finanzplan aus? Ohne all das gibt es keine solche Initiative. Worüber wird da überhaupt geredet und geschrieben?
Zur Strategie:
Angenommen, es gäbe eine solche als realistisch zu betrachtende Projekt-Idee, dann müssten Sie, um weiter zu kommen, dafür Parteigänger gewinnen, die darüber Entscheidungsmacht haben, also Gemeinderäte und Verwaltung. Da scheint es mir wenig zielführend, diese permanent vor den Kopf zu stoßen, zu beleidigen und mit Dreck zu bewerfen. Oder wollen Sie vielleicht eine „Volksbewegung“ ins Leben rufen, die die etablierten Mächte hinweg fegt? Nicht sehr realistisch. Die von Ihnen ins Feld geführten 700 Unterschriften sind da wenig wert, weil niemand weiß, wofür sie gegeben wurden (siehe oben), noch ist klar, wie viele davon Uhldinger Unterschreiber sind. Ganz zu schweigen von den Umständen der Unterschriftensammlung selbst. Wenn man jemanden ordentlich bedrängt, unterschreibt der schon mal, um den Bedränger loszuwerden. Nicht umsonst gibt es in Demokratien für so etwas strenge Regeln. Ist Ihr wahres Motiv also nur Wichtigtuerei oder Unruhestiftung im Ort?Anmerkung: Der SPD-Ortsverein hatte sich für den Erhalt des strategisch wichtigen Grundstücks eingesetzt. Das Gebäude war dabei Nebensache.
Zu den Inhalten des Artikels:
Abgesehen von all den unerfreulichen Beleidigungen, Unterstellungen und Spekulationen, in denen sich der Verfasser als eine Art Robin Hood präsentiert, der das arme Volk gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt, verkörpert durch den unbelehrbaren, böswilligen und unfähigen Gemeinderat und gegen die Gemeindeverwaltung verteidigt und schützt, sehe ich kaum nennenswerte, greifbare Inhalte. Ein paar Beispiele:
– Wie soll eine „offene Begegnungsstätte“ funktionieren, wo jeder seine Flasche Bier oder seinen Kaffee in der Thermosflasche und die belegten Brote in der Tüte mitbringt, um sie in Gemeinschaft zu verzehren? Modell Parkbank mit Picknik-Korb? Wenn es Bedarf gäbe, hätte man das längst im Sommer draußen tun können. Gab es welchen?
– Den „ganzjährigen kleinen Laden für den täglichen Bedarf“ gab es ja schon mal, nur haben da viel zu wenige gekauft, so dass er eingegangen ist. Wie soll sich das ändern?
Diese 2 Vorschläge zusammen wären wohl das wahre „Versuchslabor der Misswirtschaft“, das da beschworen und dem Gemeinderat unterstellt wird.
Übrigens „Leuchttürme“ der Gemeinde, die im Wortschatz von Herrn Lamm eine große Rolle spielen, meinen die Birnau-Kirche, das Pfahlbaumuseum und das Traktormuseum. Nichts davon belastet den Gemeindehaushalt. Unsere Unterstützung fanden und finden sie auf andere Weise aber sehr wohl.
Warum prügeln Sie permanent auf den Herrn Gössler und sein WuTaiChi ein? Was stört Sie an ihm, was hat er oder sein Verein EWTC Ihnen getan? Er gibt Gymnastik-Kurse und heilt Patienten, sogar auf Krankenschein. Seine Patienten kommen zum Teil von weit her. Die meisten sind aber unsere Bürger.
Die Spekulation, das Grundstück Schulstraße 12 könnte für 641‘850 € verkauft werden, ist unsinnig, gilt dem Herrn Groß aber offensichtlich als Beleg für düstere Machenschaften und Schiebereien der Verwaltung, die durch das Verschleudern öffentlichen Eigentums ich weiß nicht wen, bereichern sollen. Wo lebt Herr Groß eigentlich, dass er solchen Unsinn unter die Leute bringt und die unbedarften Omas und Opas von U.-U. zur Empörung treibt. In den U.S.A. nennt man so etwas „Fake News Policy“.
Nun hat Herr Groß auch noch eine neue Gruppe erfunden, die Honoratior*innen der Alten Schule. Gehört er selbst dazu? Vermutlich nicht. Sie wollen sich, so die Ankündigung von Herrn Groß, für einen sozial engagierten Treffpunkt einsetzen, der sie am sozialen Leben teilhaben lässt und sie soziale Aufgaben wie die Betreuung anderer Leute Kinder übernehmen lässt. Der Ortsseniorenrat hat einen ähnlichen Vorschlag, den ich ihm im Namen des Tennisclubs vor 3 Jahren sehr konkret gemacht hatte, durch formale Beschlussfassung kategorisch abgelehnt. Viel Spass beim Organisieren! möchte man wünschen.
Herr Groß malt ein Panorama wie im Märchen. Ich nenne nur Stichworte: Kreative Zukunft, kulturelle Angebote aus der Mitte der Gemeinde, lebensfrohe Dorfgemeinschaft, barrierefreie Mobilität, gute Nahversorgung, Arzt, Apotheke Einkaufsläden, gesellschaftliche Teilhabe und Selbsthilfe, einen Pflege-Rettungsdienst, Nachbarschaftshilfe, die Alte Schule als Ausgangspunkt und Ziel für mehrere tausend Menschen, u.s.w.. Das alles könnte fast auch in einer SPD-Broschüre von 1950 stehen. Nur, wie realistisch ist das in unseren Zeiten des kapitalgetriebenen Neoliberalismus?
Nun zu Ihren eigenen Mails.
Leider finde ich in Ihren Äußerungen nur die Haltung totaler Verweigerung. Unsere Bemühungen, die Erfahrung, den Sachverstand und berechtigte Wünsche der Unteruhldinger Gastgeber in den Planungsprozess einzubringen, wischen Sie mit großer Geste vom Tisch. „Sinnlose Workshops, inkompetente Teilnehmer, Deckmäntelchen für Planer und BM, Vorzeigeprojekte, die nicht passen…“, wie ein trotziges Kind, das sich weigert zu essen. So einfach ist das also, und so stachelt man Leute auf, vergiftet die Atmosphäre und versucht, Projekte kaputt zu machen. Glauben Sie allen Ernstes, dass der Gemeindegärtner nicht an der Planung beteiligt war?
Sie demotivieren gezielt die Leute und werfen uns zugleich vor, diese nicht zu motivieren. Was Sie und der GUM an Meinug zu unserem Thema von sich geben, ist als solche zwar legitim aber die Begründungen mehr als dünn und sie als Mehrheitsmeinung zu verkaufen sehr kühn und durch nichts gerechtfertigt, denn so dumm sind die Unteruhldinger mehrheitlich nicht.
Nochmal zur Infrastruktur: Der BM hat gerade die neuesten Einwohnerzahlen öffentlich gemacht. U.U. hat trotz lebhafter Bautätigkeit als einziger Ortsteil Einwohner verloren. Wer im Sommer mit Ferienwohnungen Geld verdient und seine Grundstücke an Spekulanten verkauft, muss im Winter die Einsamkeit ertragen. Von den kleinen Leuten, die wegen fingiertem Eigenbedarf aus ihren Mietwohnungen geworfen werden, will ich gar nicht erst reden. Brauchen Sie Beispiele? Die idyllische Dorfgemeinschaft, die Herr Groß beschwört, ist ein Luftschloss, eine Schimäre. Leider!
Die Gemeinde in diesem Kontext als größten Grundstückverkäufer zu nennen bzw. zu beschuldigen, geht völlig am Thema vorbei. Die Gemeinde erwirbt Land, um es nach Erschließung als preiswerten Baugrund an Familien zu veräußern. Aber das wissen Sie genau so gut wie ich.
Es bleibt die große Frage, warum das Ganze?
Wir, der 18-köpfige Gemeinderat, vom Volk gewählt und demokratisch legitimiert, ringen Jahr ein, Jahr aus, Tag für Tag um richtige Entscheidungen zum Wohl der Gemeinde. Glaubt Herr Groß wirklich, er kann das alles zusammen mit Ihnen viel besser?
Warum versuchen Sie und GUM systematisch, die Unteruhldinger gegen alles aufzuhetzen, was vom Bürgermeister und Gemeinderat kommt? Es waren z.B. seinerzeit Gemeinderäte aus Unteruhldingen, die unbedingt ein neues „Haus des Gastes“ gefordert haben. Der GR Stephan Knoblauch hat dazu den jetzigen Standort vorgeschlagen. Schon vergessen? Die Entwicklung des „Masterplans“ für die Gemeinde war ein hartes Stück Arbeit für uns alle. Sie hatten reichlich Gelegenheit sich einzubringen. Warum haben sie es nicht getan?
Wozu diese ständigen Tiraden aus Verachtung und Beleidigungen? Warum suchen sie nicht selbst ein Mandat?
Ist die Antwort im psychologischen Bereich zu suchen, oder im politischen? Vielleicht wissen wir bald mehr.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr W. Klaar
P.S. Sie können diese Nachricht gerne auch Herrn Groß zukommen lassen
Ende des Originalbriefes.
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