TS06/20: Überlinger Amtsblatt-Gate: Hier spricht die Rechtsaufsicht

Es ist sicherlich nicht übertrieben zu vermuten, dass nach der mutmaßlich völkerrechtswidrigen (oder auch nicht) Hinrichtung des iranischen Milizen-General Suleimani auf iranischem Boden durch Dump-Trump weltweit um Deeskalation gebetet, gebettelt und meditiert wird. Deshalb wollen wir nicht undankbar sein, wenn sich diese Deeskalation zunächst am Bodensee entfaltet. Immerhin ausgehend von staatlicher Gewalt – in diesem Fall vom Regierungspräsidium (RP) Tübingen. Denn dessen Auskunft zum „Amtsblatt-Gate“ (skandalisierende Bezeichnung von SaSe) in Überlingen schwächt den Vorgang radikal ab.

Der Vorgang war: Die Veröffentlichung eines Gemeinderatsbeschlusses im Amtsblatt „Hallo Ü“, bevor dieser Beschluss überhaupt gefasst wurde und der dann gar nicht mehr gefasst wurde. Mehr dazu hier. Was zu gesteigerter Fassungslosigkeit nicht nur in Überlingen führte.

Und offensichtlich zu themenübergreifender Verwirrung,  … wenn Frau Schlauburger ihre Presseanfrage dazu an das Landratsamt Bodenseekreis richtet, mit dem sie seit der Causa Langenargen/Gärtnerei Knam ohnehin über Kreuz liegt.

In süffisanzfreier Höflichkeit weist die Pressestelle des Landratsamt Bodenseekreis darauf hin, was ich selbst hätte wissen müssen: Gemäß Gemeindeordnung Baden-Württemberg Paragraf 119 liegt die Rechtsaufsicht für Große Kreisstädte beim zuständigen Regierungspräsidium. Überlingen ist Große Kreisstadt.
Wenn sich der Steigungswinkel meiner Lernkurve zu Jahresbeginn so fortsetzt, wird es mit mir bis Jahresende kaum noch auszuhalten sein?

Das RP Tübingen als zuständige Rechtsaufsicht fasst den Vorgang in seiner Antwort noch einmal zusammen:

Auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung vom 18.12.2019 waren drei Entscheidungen über die Aufstellung von Bebauungsplänen vorgesehen. In der Erwartung, dass die Beschlüsse, jeweils einen Bauleitplan aufzustellen, so gefasst würden wie sie später tatsächlich in zwei der drei Fälle auch gefasst wurden, ging die entsprechende Bekanntmachung bereits an das Mitteilungsblatt und gelangte versehentlich vorzeitig zur Veröffentlichung.
(Presseauskunft Regierungspräsidium Tübingen am 08.01.2020; Hervorhebg. K. B.)

Bis hierhin Konsens – abgesehen von dem Attribut „versehentlich“.
Nun der Moment, wo Jumbo Wasser lässt – die rechtliche Bewertung:

Rechtlich handelte es sich bei diesem Vorgehen um einen Fehler, da zwei Beschlüsse zu einem Zeitpunkt veröffentlicht wurden, als sie noch nicht gefasst waren und in einem weiteren Fall der veröffentlichte Beschluss überhaupt nicht erfolgte. Die Veröffentlichung hat auf die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse keinen Einfluss. Insbesondere führt sie nicht zur Wirksamkeit eines nicht gefassten Beschlusses. Eine strafbare Urkundenfälschung sieht das Regierungspräsidium Tübingen nicht als gegeben an.
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)

Der Hinweis, dass die Veröffentlichung nicht dazu führt, dass ein nicht gefasster Beschluss wirksam wird, ist redundant. Schön, dass wir darüber gesprochen haben.

Fragefalten werfen sich auf meine Stirn bei der Aussage, dass die Veröffentlichung auf die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse keinen Einfluss habe. Komisch, das hatte ich anders im Kopf. Kann aber auch am Kopf liegen.
Wo sind jetzt wieder die Verwaltungsrechtler, wenn man sie mal braucht?

Abschließend nimmt das Regierungspräsidium noch zu meiner Frage Stellung, wie so ein „Versehen“ (es darf gelacht werden …) künftig verhindert werden könne und ob der Vorgang disziplinarische Konsequenzen für den Verantwortlichen – namentlich Baubürgermeister Mathias Längin – habe.

Der Stadt selbst ist bewusst, dass es sich hier um einen Fehler handelte, der sich nicht wiederholen sollte und dass sie darauf zu achten haben wird, dass eine vorzeitige Veröffentlichung künftig unterbleibt. Es erfolgte bereits eine Richtigstellung durch eine städtische Pressemitteilung vom 19.12.2019. Auch im „Hallo Ü“ wird noch ein Hinweis auf den Fehler erscheinen. Eine Intervention des Regierungspräsidiums ist angesichts dessen nicht erforderlich, auch besteht kein Anlass für disziplinarische Maßnahmen.
(ibid.)

Vergleichbare Fälle (veröffentlichte Beschlüsse, die gar nicht gefasst wurden) eventuell auch aus anderen Kommunen im Zuständigkeitsbereich des RP Tübingen seien diesem nicht bekannt.

Immerhin: Einmaligkeit des Vorgangs in Überlingen!

Regierungspräsident statt Landrat
Bekannt hingegen wurde mir, dass der Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser am gerade erst stattgehabten „Dreikönigstrunk“ der Stadt Überlingen persönlich anwesend war. Plus jede Menge weiteren Honoratioren-Ballast à la Erwin Teufel & Co.

Minus: Landrat Lothar Wölfle!

Durchaus nicht unabhängige Beobachter dieser Veranstaltung berichten (man könnte auch von Kolportage sprechen …), dass sich Oberbürgermeister Jan Zeitler und Tappeser vor lauter wechselseitiger Zugewandtheit kaum lassen konnten. Und spekulieren (pfui!), dass diese Inniglichkeit sofort perdu gewesen wäre, hätte man Zeitler statt mit dem geliebten Regierungspräsidenten mit Landrat Wölfle vergesellschaftet. Das Fehlen dieses wichtigen Repräsentanten im Überlinger Polit-Promi-Auftrieb unter katholischem Vorwand wird vom Südkurier in seinem Trunkbericht mit keinem Wort erwähnt.

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[…] nachvollziehbar, dass sich nebst den Bürgern für Überlingen zwei Bloggerinnen auf AGORA LA und SatireSenf ebenfalls über diese Kleinigkeiten im tagespolitischen Geschäft aufregen und sogar Presseanfragen […]

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