Dann muss die Lage aber schon wirklich verzweifelt sein: Wenn der Südkurier sich in einem Kommentar zu deutlicher Kritik an der Informationspolitik des Landratsamts Bodenseekreis aufrafft: „Steigende Corona-Fälle: Informationen der Behörden sind Mangelware“.
Übersehen wir jetzt einmal großzügig den sprachlichen Unsinn in der Headline: Fälle können nicht steigen; höchstens die Anzahl derer. Konzentrieren wir uns auf das Positive und konservieren dieses seltene Stück kritischen Journalismus der Lokalberichterstattung.
Einen Teil des Mutes dazu bezieht Redakteurin Kerstin Mommsen sicherlich aus dem brisanten Thema, um das es geht: Corona und die aktuellen Infiziertenzahlen im Bodenseekreis. Die Journalistin beklagt, es sei schwierig, an präzise Informationen aus dem Landratsamt zu kommen. Von dort kämen nur „dürre Pressemitteilungen“ (siehe dazu Situation im Landkreis Biberach hier).
Die Presse weiß zwar von 31 Infizierten, kann aber nicht in Erfahrung bringen, wo diese Menschen leben bzw. herkommen. Aber genau das ist eine wichtige Info für die Bevölkerung. Auch die Anzahl weiterer Verdachtsfälle sei ungeklärt, ebenso wie das vom Landratsamt gefahrene Test-Regime.
Corona ist natürlich ein heikles Thema – ganz besonders in Urlaubszeiten in relevanten Urlaubsregionen wie Friedrichshafen/Bodensee. Wem fiele dazu nicht die perfide Trump-Logik ein, wer weniger teste, habe auch geringere Infiziertenzahlen. (Oder Fälle, die wo steigen …) Man muss nicht besonders bösartig veranlagt sein, um einen denkbaren Zusammenhang zwischen der intransparenten Informationspolitik des Landratsamtes und der für die Bodensee-Region geltenden Parole „Tourismus: Whatever it takes“ herzustellen.
Der selten mutige Kommentar ergänzt den Südkurier-Artikel „Corona-Fallzahlen steigen weiter: Seit Mittwoch gibt es im Bodenseekreis sieben neue Fälle“. Keine Überraschung: Einige der Fälle ließen sich auf Geburtstagspartys am vorletzten Wochenende zurückführen. Unfassbar, dass solche in diesen Zeiten überhaupt veranstaltet werden. Wo ist die Prügelstrafe, wenn man sie mal braucht? Unklar ist in den erwiesenen Fällen wohl auch, seit wann die betroffenen Familien davon wissen, ob sie sich an die Quarantäne gehalten haben und ob/wie die Behörden das überprüfen.
Diese steigenden Infiziertenzahlen im Bodenseekreis haben die Gemeinde Langenargen jedoch nicht davon abgehalten, am vergangenen Dienstag die vorher schon hoch umstrittene Einwohnerversammlung durchzuführen. Zwar berichtet und fotodokumentiert die Bloggerin Elke Krieg akkurate Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen bei der Veranstaltung. Aber das eingegangene Risiko scheint im Abgleich mit Inhalt, Ergebnis und Resonanz dieser primär für Bürgermeister Achim Krafft wichtigen Prestigeveranstaltung (im November 2020 sind Bürgermeisterwahlen in Langenargen!) in keinem Verhältnis zu stehen (SchwäZ-Berichterstattung zum Event).