TS90/20: Wochenzeitung KONTEXT: Ein changierendes Ortsporträt der Gemeinde Wain

Transparenz-Hinweis: Die KONTEXT-Redakteurin Anna Hunger ist eine Kollegin von mir.
Wir arbeiten zusammen. Logo, lobe ich sie über den grünen Klee!

Die Kollegin Anna Hunger, Redakteurin der Wochenzeitung KONTEXT, hat das getan, was zu tun mir leider versagt ist: Sie fuhr nach Wain und versuchte dort, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Aber das sei gar nicht einfach, fast unmöglich gewesen – zumindest was O-Töne mit bekennender Autorenschaft anbelangt, wie sie mir berichtete.

Journalistisch herausgekommen ist auf jeden Fall ein brillantes Ortsporträt dieser in negativer Hinsicht äußerst bemerkenswerten Gemeinde im Landkreis Biberach. Schon der Ein-Wort-Titel beinhaltet alles, was man über Wain wissen muss: „Hexenjagd“.

Hunger nimmt den Leser gemütlich schlendernd mit auf einen Spaziergang durch den Hanglage-Ort, ein Defilee,  das von zahlreichen markanten Eindrücken gespickt ist.

Außerdem durfte sie den „Höhepunkt“ der Wainer Menschenjagd auf die drei widerständigen Rätinnen in der Gemeinderatssitzung vom 28. Mai 2020 miterleben. In dieser Sitzung legten die drei als Hexen denunzierten Gemeinderätinnen Julia Freifrau von Herman, Lotte Obrist und Faiza Gummersbach ihr Mandat nieder. In Abwesenheit. Verständlicherweise.
Vorgeschichte dazu u. a. hier, hier und hier.

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Lochbären und ein komplett fehlbesetzter Bürgermeister
Es kann, es muss ja nicht jeder so eine drastische Sprache führen, wie ein Blog, der die verpflichtende Bezeichnung SatireSenf.de trägt. Pointen in Pastell gehen vielleicht sogar noch tiefer unter die Haut? Hungers tun es! Sie tun es in Hülle und Fülle in einem hochspannenden Artikel, der erzählerisch geschickt die Idylle dem demokratischen Grauen gegenüberstellt.

So danke ich der Kollegin für die Bereicherung meines Wain-Lexikons um den Begriff „Lochbären“ für die dort hausenden Aborigines. Immerhin beruhigend: Hunger sieht in Wain Häuser, nicht Höhlen.

Für mich interessant wird ihr Artikel-Prachtstück dort, wo es um die Demokratie und meinen ganz besonderen Freund, den Wainer Bürgermeister Stephan Mantz, geht. Von dem kann KONTEXT sogar ein Foto vorweisen.
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Sieht harmlos aus. Das täuscht. Es ist der Wainer Bürgermeister Stephan Mantz.
Foto: Jens Volle / KONTEXT

Hunger schafft es, in wenige Zeilen zu packen, was man über diesen Bürgermeister und seine Verursacher-Funktion für die Wainer Hexenjagd wissen muss:

Bürgermeister Stephan Mantz, parteilos und gerade 40 geworden, ist seit 2015 im Amt, dynamisch und beliebt. Er hat dem Ort ein Miet-Elektroauto beschafft. Es fließt Öko-Strom durch Wain, schnelleres Internet gibt’s demnächst, die Schulstraße hat er saniert und die Schule. Nur mit Diskussion kann er nicht – er wünsche sich Harmonie in seiner Gemeinde, sagt er am Telefon, er wünsche sich Ruhe, wie sie früher da war, es klingt ein bisschen weinerlich.
(KONTEXT Ausgabe 481 vom17.06.2020, Anna Hunger: „Hexenjagd“)

Grandios! Eine verheerendere Fehlbesetzung eines Bürgermeisters ist schlechterdings nicht denkbar. Wo Harmonie herrschen soll, hat die Demokratie schon verloren. In Wain hat sie das in einem Umfang, der mir und anderen Beobachtern bisher nicht vorstellbar war. Ich kenne keine andere Gemeinde, in der gleich drei kritischen Gemeinderätinnen das Mandat abgemobbt wurde – mit teilweise mutmaßlich kriminellen Methoden!
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Hände, die sich gegenseitig nicht wegen der Hygiene waschen
Gut verständlich zeichnet Hunger dann unter der Zwischenüberschrift „Und vorbei war’s mit der Harmonie!“ die Genese der dreifachen Mandatsexekution nach. Dabei hat sie weitere Pikanterien recherchiert, die in den vielen Wain-Artikeln auf SaSe bisher noch gar nicht vorkamen. Etwa die Causa Harald Gramm vom Dürrachhof.  Ich erzähle dessen schräge Bautätigkeiten hier nicht nach. Sie stehen bei KONTEXT. Die jedoch blieben für den bullenhaltenden Landwirt und dank eines nachträglich absegnenden Votums des Gemeinderats – natürlich ohne die Stimmen der drei kritischen Rätinnen – folgenlos.

Lol!  Genauso läuft’s!

Folgenlos? Da war doch was?

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Die aktive Rolle von
Schwäbischer Zeitung und Südwestpresse
Wohltuend für mich auch, dass KONTEXT neuerlich die fatale Rolle der beiden Regionalzeitungen Schwäbische Zeitung und Südwestpresse (SWP) bei der vollständigen Eskalation in Wain thematisiert. Der aktuelle Artikel ergänzt die schon von mir vorgelegte Liste (z. B. hier und hier) offenkundiger Parteinahme zugunsten der Mobber und zugunsten von Mantz durch die zu unabhängiger Berichterstattung verpflichteten Regionalblätter:

Etwa im Februar begannen „Schwäbische Zeitung“ und „Südwestpresse“ aktiv im Wainer Streit mitzumischen. Redaktionsleiter Roland Ray kommentierte die „ungute Entwicklung am Wainer Ratstisch“ und wie „sachlich und beherrscht – in seinem Innern mag es gebrodelt haben“ Stephan Mantz doch auf die fiesen Frauen reagiere. Mantz habe sich „als bienenfleißiger und kompetenter Rathauschef profiliert“. Beate Reuter-Manz von der „Südwestpresse“ jubelte, dass die Gemeinde dieses Jahr besonders viel investieren könne, weil Mantz „offenbar das Gras wachsen hört (…). Als Netzwerker mit guten Kontakten in viele Behörden unternimmt er jede Anstrengung, zu den allerersten Bittstellern zu gehören, um dann mit sorgfältig vorbereiteten Anträgen zu punkten.“ Und trotzdem vergehe keine Sitzung „ohne Spitzfindigkeiten“.
(ibid.)

An dieser Stelle sei der langen Liste noch ein besonders eindrückliches Fundstück aus der SWP hinzugefügt. Die SWP-Redakteurin Karin Mitschang berichtet unter dem Titel „Wie aus Wain ein Ort zum Weinen wurde“ von der oben erwähnten Gemeinderatssitzung am 28. Mai 2020, in der die Rätinnen ihres Mandats entledigt wurden. Sie gibt einige Vorkommnisse der vorausgegangenen Monate wieder. Dabei ergreift sie erkennbar Partei für die Mobber und für Stephan Mantz und gegen die Fraktion „Für die Wainer Bürger“, zu der auch die drei Frauen gehören:

Die Fraktion „Für die Wainer Bürger“ trat seither immer wieder giftig und sehr fordernd auf – offenbar nicht nur in öffentlichen Sitzungen. Das gipfelte in einer Fachanfrage beim Landratsamt gegen Stephan Mantz. Das Kommunalamt stellt keinen Regelverstoß fest.
(Südwestpresse 30.05.2020 Karin Mitschang: „Wie aus Wain ein Ort zum Weinen wurde“; Hervorhebg. K. B.)

Hier sind meiner Meinung nach wichtige Merkmale der tendenziösen Berichterstattung versammelt: Was bitte ist „giftiges“ Auftreten im demokratischen Ringen um die beste Lösung? Woher weiß Frau Mitschang das mit der Giftigkeit und dem fordernden Auftreten? War sie dabei? Warum wird mandatierten Gemeinderätinnen von der SWP das verbriefte Recht abgesprochen, Forderungen zu stellen? Wieso wird eine völlig legitime und übliche „Fachanfrage“ an das Landratsamt auf einmal zum Gipfelpunkt von Giftigkeit und Querulantentum? Wieso überhaupt richtet sich eine solche Fachanfrage GEGEN Stephan Mantz? Ringen nicht alle Mandatierten und Gewählten in Wain um dasselbe Ziel? (Okay, das war jetzt eine rhetorische Frage!)

Hätte Mitschang hier nur Kolportiertes wiedergegeben, hätte sie ihre Äußerungen in den Konjunktiv setzen müssen: „Die Fraktion sei seither immer wieder giftig und sehr fordernd aufgetreten“. Da sie das nicht tut und diese krassen Bewertungen in den Indikativ setzt, verleiht sie ihnen den Stellenwert von Tatsachenberichten.

Der Demokratie und mir sind Gemeinderätinnen, die sich in Fachfragen Expertise beim Landratsamt abholen, ganz besonders wertvoll. Die SWP jedoch bauscht ein solches völlig legitimes und intelligentes Vorgehen zur Missetat auf. Aber anschließend Krokodilstränen vergießen und im Kommentar zu obigem Bericht konstatieren: „Es gibt nur Verlierer“.

Wo ist mein Kübel?
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Trost für Stephan Mantz: Jetzt bundesweite Verbreitung
In diversen Zeitungsberichten wird immer wieder Bürgermeister Mantz‘ weinerliches Lamento zitiert, die Gemeinde Wain sei durch das ganze Heckmeck „in der Region“ in Verruf gekommen. Schuld sind natürlich die querulanten Frauen, auch wenn er das nicht formuliert.

Wenigstens hier ist ihm Trost anzubieten. Von „Region“ kann jetzt keine Rede mehr sein. Die Wochenzeitung KONTEXT erscheint bundesweit als Wochenendbeilage zur taz.

Und wer hat’s erfunden? Stephan Mantz!

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