Ich gebe es zu: Es läuft mir persönlich runter wie Öl! In dem Meedia-Artikel Die neue Pegida-Presse: Wie Querfront-Medien sich ihr krudes Weltbild zurechtbiegen findet sich im Kontext mit dem Kopp-Verlag und dem Magazin Compact des Rechtspopulisten Jürgen Elsässer folgender brisanter Satz:
Dabei erheben Elsässer, Kopp und andere immer wieder den Vorwurf, dass ihre Ansichten unterdrückt werden sollen, dass sie selbst aber in Wahrheit „staatstragend“ seien und die eigentlichen Fundamentalisten und Faschisten in Staat und Medien zu finden seien. Paradoxerweise spiegeln sich einige Ansichten der Querfront auch in einer explizit linken Haltung, wie sie beispielsweise die ZDF-Kabarett-Sendung „Die Anstalt“ vertritt. Statusquo verweist auf eine Szene aus der „Anstalt“, bei der die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt wird – ein überaus beliebter Topos bei der Querfront.
(Meedia 26.11.15 Stefan Winterbauer: „Wie Querfront-Medien sich ihr krudes Weltbild zurechtbiegen“; Hervorhebg. SaSe)
Cave: kabarettistischer Populismus
Winterbauer bestätigt wesentliche Aspekte der durchgehenden SaSe-Kritik insbesondere an dem Kabarettistenzusammenschluss D(d)enkfunk, zu dem auch die Anstalt-Macher Max Uthoff und Claus von Wagner gehören. Ein Aspekt der Kritik dieses Blogs – neben den nicht zufälligen Intransparenzen rund um Denkfunk, die PatchworX Media GmbH (HInfo1, HInfo2) und den Verein Global Change Now e. V. (vgl. SaSe50) – sind die feststellbaren Tendenzen zum kabarettistischen Populismus. Ein Paradebeispiel dafür ist ein Auszug aus Christoph Siebers Kabarettprogramm „Hoffnungslos optimistisch“: „Ich will mich nicht gewöhnen.“
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Mit der Nummer, der hier artikulieren „Wut“ des vielleicht nicht„besorgten“, aber immerhin massiv aufgebrachten Bürgers, ohne dazu irgendwelche Analysen oder Alternativen anzubieten, könnte Sieber auch problemlos bei einer Pegida-Veranstaltung auftreten. Nicht einmal andeutungsweise verrät er, in welche politische Richtung denn die Empörung und moralisch berechtigte Wut zu richten sei, die er hier so beifallstark zu peitschen versteht. Wut, Empörung und das moralische Urteil über „das System“ sind hier gemeinsames Merkmal der Rhetorik von Rechten und Kabarettisten.
Kein Wunder also, dass diese Kabarettisten, wie Meedia oben auch vermerkt und verlinkt, zunehmend Beifall von den Neurechten und Verschwörungstheoretikern bekommen.
Ein weiteres Beispiel dafür ist etwa auch der Denkfunk-Autor, Uthoff- und Wagner-Kollege Dirk Müller, dessen Output von Pegida & Co. dankbar aufgegriffen wird (Screen in SüS14).
Nun lässt sich Beifall von der falschen Seite in politisch derart komplexen Zeiten wie diesen auch nicht immer verhindern. Die Frage ist nur, warum die betroffenen Kabarettisten und Denkfunker so gar nicht reagieren und mit einer atemberaubenden Arroganz meinen, sich von nichts und niemanden distanzieren zu müssen (vgl. SaSe63). In diesem Denkfunk-Beitrag von Jörg Wellbrock alias Tom W. Wolf etwa kommt auch eine klassische Querfront-Strategie zum Einsatz (siehe wieder SaSe63).
Der Vorgang rund um den heute-show-Satiriker Ralf Kabelka und seinem Auftritt auf einer Berliner AfD-Demo, bei dem er sich gewaltaffin geäußert hatte, gehört auch in diese Rubrik (vgl. SaSe65). Auch hierzu liegt bisher keine Reaktion vor. Das Phänomen findet sich also nicht auf Denkfunk beschränkt.
Glaubwürdigkeitsverlust durch „Denkfunk“
Wie soll man eine inhaltlich zunächst imposante Kabarettsendung wie Die Anstalt vom 17.11.2015 (Mediathek) ernstnehmen, deren Macher sich in einem Netzwerk bewegen, in dem getäuscht, getarnt, vertuscht, zensiert und gedroht wird? Wo bleibt die Glaubwürdigkeit von Kabarettisten, die kritische Fragen durchgehend nicht oder – wie im Fall Christoph Sieber (vgl. „Mauer des Schweigens“ in HInfo5) – nur ironisch beantworten? Wie seriös, wie links ist politisches Kabarett, das von den Rechten bejubelt, beklatscht und verlinkt [vgl. Quelle 1 am Ende vom Text: Verlinkung von „Die Anstalt“ auf einem rechtsextremisten Hetzaccount auf FB] wird und das in seiner Rhetorik von rechter Propaganda und rechtem Populismus stellenweise nur noch schwer zu unterscheiden ist?
Unerträgliche Arroganz der Kabarettisten
Sebastian Christ hatte vor wenigen Wochen in Reaktion auf Die-Anstalt-Sendung vom 20. Oktober 2015 in der Huffington Post einen offenen Brief an die Macher Max Uthoff und Claus von Wagner formuliert (vgl. dazu auch SaSe57). Man muss seiner Kritik nicht in allen Punkt zustimmen. Aber die unerträgliche Arroganz dieser Kabarettisten, in keiner Weise auf die Kritik – zumindest – der auflagenstarken Publikationsorte zu reagieren, widerlegt ihr Anliegen und nimmt ihnen jede Glaubwürdigkeit. Zumindest ist mir trotz intensiver Beobachtung der Szene keine Reaktion bekannt. Und auch dieser Blog erhält seit neun Monaten keine Antwort auf mehrere Presseanfragen und Kontaktersuchen an diverse Denkfunk-Kabarettisten (Liste in HInfo5).
Instrumentalisierung der „emotionalen Momente“?
Und auch die sogenannten und anfangs bejubelten „emotionalen Momente“ von Die Anstalt erhalten inzwischen und durch die penetrante Instrumentalisierung dieses Stilmittels einen unangenehmen Beigeschmack. Wer eine KZ-Überlebende in die Sendung einlädt, steht zweifelsohne auf der Seite der Guten und ist jeder Kritik enthoben. So etwas kann man ein Mal (1 x) machen. Doch inzwischen gehört es zum peinlich berührenden Standard von Die Anstalt, Opfer jeder Form zum Nachweis der eigenen moralischen Integrität auf die Bühne zu holen. Eine KZ-Überlebende hier (Die Anstalt 17.11.15), ein Massaker-Überlebender dort (Die Anstalt 30.03.15), ein Flüchtlingschor (Die Anstalt 18.11.14) etc.
Junge Alternativen: Hazel Brugger und Jan Philipp Zymny
Aus dem nachhaltigen Frust über das totale Versagen zumindest der prominenteren und im Fernsehen ad nauseam zu bewundernden Kabarettisten gegenüber den aktuellen Herausforderungen wende ich mich inzwischen ganz anderen Satirikern zu. Diese Zuwendung erfolgt aus dem Bedürfnis nach wirklich neuen Perspektiven, Sichtweisen, Betrachtungen – statt der theatralisch inszenierten Dauerempörung à la Christoph Sieber & Co. und dem in Endlosschleife wiederholten Manifest der eigenen moralischen Vorzüglichkeit. Ich möchte von Satirikern und Kabarettisten Anregungen erhalten, wie ich aus meinem persönlichen, vom Mainstream geprägten Wahrnehmungs- und Bewertungslabyrinth herausfinde.
Impulse dazu finde ich bei jüngeren Künstlern aus der Poetry-Slam-Szene wie zum Beispiel Jan Philipp Zymny (Homepage, Facebook). Der bereichert meine Gedankenwelt mit so Wort- und mithin Denkkreationen wie „Holzgießer“ und „Gewürzschmied“. Wie wollen mir denn (Denkfunk-)Kabarettisten diese irre Welt erklären, die noch nicht einmal solche Lebenssinne kennen? Und es ist keinesfalls redundant, wenn Zymny darauf hinweist, dass der beste Weg, um mit Problemen umzugehen, Lösungen sind! Das möchte man den Lenkfunk-Blubberern und Sprechblasenproduzenten ins Stammbuch schreiben.
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Oder eine imposante Hazel Brugger (Homepage, Wiki), die sich stoisch und überwältigend den viel zu häufig anzutreffenden Strategien zu vieler Kabarettistinnen souverän entzieht und von der Bühne aus die Betonwand-Botschaft ins Publikum donnern lässt: Es ist mir gleichgültig, ob ihr mich sympathisch findet! Es ist ihr deshalb gleichgültig, weil sie eine Botschaft hat, die man ihr abnimmt. Und dann lohnt es sich, über das Gürteltier ohne Gürtel vorne in der Warteschlange nachzudenken und aus diesem Bild Lösungen für die großen Probleme abzuleiten.
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Arrogante dauerempörte Kabarettisten, die vorzüglich mit der eigenen Vermarktung beschäftigt sind und sich in nach außen hermetisch abgeriegelten Netzwerken bewegen, mögen zwar eine Botschaft haben, von der man dann aber auch wieder und gerade afugrund der intransparenten Netzwerke nicht sicher weiß, woher diese kommt. Ihre Glaubwürdigkeit jedoch haben sie längst eingebüßt.
Quelle 1: https://www.facebook.com/Deutsche.Revolution.2015/posts/1530265977270670
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