TS23/21: Rebellion gegen Regionalplan und eine irrlichternde Dienstaufsichtsbeschwerde

Das Kind ist nun endlich geboren. Die „Mutter“ lag zwei Wochen lang in den Wehen. Vermutlich eine Steißlage? Die Entbindung erfolgte heute in der SchwäZ:  Nachdem viele Umwelt- und Naturschützer, Kommunalpolitiker und Journalisten in der Region schon seit dem 28. Januar 2021 von einer Dienstaufsichtsbeschwerde (DAB) gegen den Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben, Wilfried Franke, Kenntnis besaßen, irritierten ausbleibende Pressemeldungen zu dem doch gewichtigen Vorgang.

Nachdem SaSe im gestrigen Senf zu einer eilends einberufenen Pressekonferenz der CDU-Kreistagsfraktion Sigmaringen Entsprechendes angedeutet hatte, geht heute die SchwäZ mit dem Artikel „Rebellion gegen den Regionalplan“ (Headline in der E-Paper-Version) bzw. „Kein Wachstum um jeden Preis – Umweltschützer rebellieren gegen Regionalplan“ (Headline in der SchwäZ-Online-Version) an die Öffentlichkeit.

Bei dieser zivilgesellschaftlich imposant breit angelegten Rebellion spielt die DAB gegen Franke allerdings nur eine Rolle von vielen. Dafür jedoch eine sehr bezeichnende …

Nachdem die Kritik am bisher vorliegenden neuen Entwurf des Regionalplans Bodensee-Oberschwaben (RPBO) seit über zwei Jahren nicht abreißt, haben sich die Kritiker jetzt zu einem imposanten „Aktionsbündnis für einen zukunftsfähigen Regionalplan Bodensee-Oberschwaben“ zusammengeschlossen: 19 Vereine und Bürgerinitiativen aus den drei betroffenen Landkreisen Ravensburg, Sigmaringen, Bodensee. Bei der zukünftigen Abwehr des Regionalplans in der vorliegenden Version sollen auch, wie die Stadträtin Hermine Städele aus Weingarten der SchwäZ ankündigt, alle zur Verfügung stehenden juristischen Mittel zum Einsatz kommen.

Ja, hoffentlich. Sonst kommen die Kritiker nämlich nie auf einen grünen Zweig!

Zu dem neuen Aktionsbündnis gehören unter anderem die regionalen Vertretungen von BUND und Nabu, Fridays for Future, die Kiesabbaugegner vom Verein Natur- und Kulturlandschaft Altdorfer Wald, die Initiative gegen den 1.000-Kühe-Stall in Ostrach (ein Schwerpunktthema auf diesem Blog!), die Grünen, der Verein Fairwandel Sigmaringen und das Ravensburger Klimacamp. Im gestrigen Senf hatte ich sechs weitere Gruppierungen, die sich gegen den Regionalplan engagieren, verlinkt.

Außerdem nutze ich die Gelegenheit, die Stellungnahme „Eine kritische Würdigung des Entwurfs für den Regionalplan“ der Scientists for Future S4F Ravensburg vom Januar 2021 hier zu hinterlegen.
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Für Immobilienhaie, Kiesabbau-Unternehmen und andere Planeten-Verfrühstücker ist das Flächenbüfet des Regionalplans Bodensee-Oberschwaben reich gedeckt. Der CDU gefällt das …
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Die antidemokratische Grundenergie des RVBO
Das jetzt gegründete „Aktionsbündnis für einen zukunftsfähigen Regionalplan Bodensee-Oberschwaben“ dokumentiert durch die schiere Anzahl der hier zusammengeschlossenen Akteure der Zivilgesellschaft nur noch einmal, was seit mindestens zwei Jahren offenkundig ist: Der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben (RVBO) unter Ägide von Verbandsdirektor Wilfried Franke und dem Verbandsvorsitzenden und Pfullendorfer Bürgermeister Thomas Kugler versuchen, einen Entwurf des Regionalplans gegen den offenkundigen Willen der Bürger durchzusetzen. Die endlose Anzahl von Zeitungsberichten aus den diversen Gemeinderäten, die sich gegen den RPBO wehren, belegt das (jüngstes Beispiel).

Bezeichnend für die antidemokratische Grundenergie des RVBO ist ein insbesondere von Franke von Anfang an immer wieder öffentlich benutztes Diktum: Der Regionalplan sei „kein Wunschkonzert“ (hier). Franke bezieht sich dabei auf den „staatlichen Auftrag“ … und vergisst, dass dieser Staat die Bürger sind.

Der angenehm ausführliche SchwäZ-Artikel (mit der imposanten Länge von typischen SaSe-Texten: viereinhalb Druckseiten!) zählt noch einmal die vielen Kritikpunkte am vorliegenden Entwurf des Regionalplans auf. Die lassen sich unter dem Stichwort exzessiver Flächenverbrauch subsummieren und wurden hier schon 2019 thematisiert.

Weitere Kritikpunkte sind die für den Kiesabbau, den Torf- und Kalksteinabbau vorgesehenen Flächen von horrenden 630 Hektar, was die Mitglieder der Initiative für völlig überzogen und alles andere als nachhaltig halten.

Aber ich möchte und werde den lobenswert ausführlichen SchwäZ-Artikel von Annette Vincenz über die jetzt noch effizienter formierte „Rebellion gegen den Regionalplan“ nicht nacherzählen.

Ich möchte das Augenmerk der Leser viel eher auf die erwähnte DAB und insbesondere den veröffentlichten Umgang mit dieser lenken. Meiner Meinung nach lässt sich aus den gut dokumentierten Abläufen Bezeichnendes dazu ablesen, wie mit Bürgern, ihrem berechtigten Protest und ihren formalrechtlichen Abwehrmaßnahmen umgegangen wird.
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Die Abläufe rund um die DAB gegen den RVBO-Verbandsdirektor Franke erzählt uns auch viel über das Verhalten der Krähen untereinander …
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Regierungspräsidium und Wirtschaftsministerium informieren Franke nicht!
Am 28. Januar 2021 wurde per E-Mail eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den RVBO-Verbandsdirektor Dr. Wilfried Franke bei der zuständigen Aufsichtsbehörde Regierungspräsidium Tübingen sowie beim Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg eingereicht. Der Verfasser der klar formulierten und mit interessantem Zahlenmaterial belegten DAB möchte öffentlich nicht genannt werden.

Die beiden zentralen und vom Beschwerdeführer umfassend begründeten (23 Seiten) Vorwürfe lauten:

  1. „Aufweichung“ bzw. Verschlechterung der Wohnbauflächen-Bedarfe sowie der Dichtewerte und damit effektive Verschlimmerung der Flächeninanspruchnahme
  2. Anscheinende Unkenntnis der Grundlagen der Regionalplanung und Bauleitplanung

Inhaltlich jedoch soll uns die DAB hier nicht interessieren; da müssen Experten ran.

Interessanter ist der formale Umgang damit. Wer nun etwa vermuten würde, dass sowohl das Regierungspräsidium Tübingen wie auch das baden-württembergische Wirtschaftsministerium den Kritisierten und Beschwerten, Wilfried Franke, umgehend von dem Vorgang informieren und ihm die DAB zur Kenntnis weiterleiten, der irrt! Gewaltig. Denn wie diese Institutionen mit den Bürgern umgehen, so verhalten sie sich ganz offensichtlich auch gegen ihre eigenen Wasserträger.
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Aber Franke hat es auch nicht nötig?
Nachdem Wilfried Franke dann schon dunkle Ankündigungen ausgestoßen haben soll,  er werde prüfen, inwieweit die Art und Weise des Umgangs mit seiner Person mit den rechtlichen Vorgaben dieses Staates in Einklang stehe, wandte sich der Verfasser der DAB am 9. Februar 2021 per E-Mail direkt an den gekränkten Großmeister. Er ließ ihm die gesamte DAB mit Anlagen zukommen und betonte seine Bereitschaft zum offenen Dialog. Ausdrücklich bat er Franke, ihm seine Stellungnahme zur DAB zukommen zu lassen.

Bis heute hat der Beschwerdeführer noch nicht einmal eine Antwortmail von Franke auf dieses offene Angebot erhalten! So viel zum „offenen Umgang“ und Frankes Lamento von wegen „hinten rum“.

Dieser Blog hat diesbezüglich ja auch schon so seine Erfahrungen gemacht

Stattdessen verlautbart sich der Salat-Inspektor Regionaldirektor in der SchwäZ dazu wie folgt:

„Ich habe kein Problem mit der Beschwerde an sich und werde Stellung dazu nehmen, wenn ich vom Wirtschaftsministerium dazu aufgefordert werde“, sagte Franke auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. „Mich ärgert aber die Art und Weise, wie man hintenrum davon erfährt.“
(Schwäbische Zeitung 16.02.2021: „Rebellion gegen Regionalplan“; Hervorhebg. K. B.)

Ohne weitere Erläuterungen und Hinweise bleibt für den normalen SchwäZ-Leser dieses „hintenrum“ als nicht ausformulierter Vorwurf an den DAB-Autor hängen. Der jedoch ist für diese hinterfotzige und unfaire Verfahrensweise von RP und Ministerium nicht zuständig. Beide Behörden hätten Franke zeitnah von der DAB informieren müssen. Das haben sie, wie Franke der SchwäZ gegenüber zugibt, offensichtlich nicht getan.

Franke wiederum reagiert in keiner Weise auf einen Kontaktaufnahmeversuch des DAB-Verfassers. Dazu fällt mir nur das berühmte Glashaus ein?

Immerhin scheint Franke das Wirtschaftsministerium als zuständige Behörde für die DAB anzuerkennen. Er werde dazu Stellung nehmen, wenn ihn das Ministerium dazu auffordere.

Das erleichtert ungemein, denn zwischendurch war schon ein ganz anderer Adressat für diese DAB im Gespräch. Angeblich und unter Verweis auf Paragraf 39 Absatz 3 Landesplanungsgesetz sollte der RVBO-Verbandsvorsitzende Thomas Kugler für die „Bearbeitung“ der DAB zuständig sein. Also der Krähen-Kollege! Hanebüchen! Deshalb erleichtert es auch den DAB-Autor sehr zu lesen, dass Franke das Ministerium als zuständige Institution anzuerkennen scheint.
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Aus dem Handwerkskasten eines Regionalverbandsdirektors – trotz Glashaus-Ausgangslage
Bild von Dietmar Silber auf Pixabay

 

Die „Rückendeckung“ der CDU … bei der Landtagswahl nicht vergessen!
Hektik bricht derweil bei den CDU-Granden in den einschlägigen Landkreisen aus. Siehe Senf zu einer kurzfristig anberaumten und trotz Corona als Präsenzveranstaltung geplanten Pressekonferenz der CDU-Kreistagsfraktion Sigmaringen morgen in Mengen.

Als wichtige Information auch im Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg informiert uns alle die SchwäZ noch einmal darüber, dass die CDU ein derart breites und fundiertes Aufbegehren der Zivilgesellschaft gegen den vorliegenden Entwurf des Regionalplans null interessiert. Das gilt für die CDU im Kreis Sigmaringen, wie oben schon zitiert. Und die Ravensburger Christdemokraten stellen sich ebenfalls uneingeschränkt hinter Franke:

Rückendeckung bekommt der Regionalverbandsdirektor von den Ravensburger Christdemokraten. „Der CDU-Ortsverband Ravensburg lehnt die Verunglimpfung des Regionalplans als Klimahöllenplan und damit einhergehend des Regionalverbandes als Institution ab. Das ist absolut ungerechtfertigt und inakzeptabel“, sagt Antje Rommelspacher, stellvertretende Ortsverbands- und Fraktionsvorsitzende.
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)

Danke für diese wichtige Wähler-Orientierung. Heißt für mich: Die (berechtigte und gut argumentierte) Kritik des breiten zivilgesellschaftlichen Widerstands gegen den RPBO ist für die die Ravensburger Christdemokraten „ungerechtfertigt und inakzeptabel“. Da hängt man sich an Begriffen wie „Klimahöllenplan“ auf, nimmt aber zu den inhaltlichen Argumenten gar nicht erst Stellung. Insbesondere betrifft das auch die Kritik am Regionalverband als Institution, in deren Verbandsversammlung hauptsächlich Bürgermeister sitzen, die qua definitionem die Interessen ihrer Kommune vertreten und nicht die der Region. Dabei ist diese strukturelle Fehlkonstruktion der Regionalverbände bundesweit ein Thema.

Diesen Basta-Umgang der CDU mit der breiten Kritik aus der Zivilgesellschaft sollten wir an der Wahlurne am 14. März 2021 nicht vergessen …

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Ergänzend ein Hinweis in eigener Sache: Leser aus dem weiten Kreis der RPBO-Kritiker mögen bitte nicht immer wieder vergessen, wie dieser Blog heißt … und welcher stilistischer Mittel er sich folgerichtig bedient, im Hinblick auf das Äußerungsrecht sogar bedienen muss! Verdammte Hacke!

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