TS95/20: Der Würger von Spaichingen: FDP-Gemeinderat wird gewalttätig

Soo kann ich nicht arbeiten! Was sind das denn bitte für Zustände? Doppelpunkt: Noch immer warte ich auf die Auskunft vom Gemeindetag Baden-Württemberg (GTBW) (Hintergründe hier). Dann musste ich ausreichend Senf ansetzen, um dem Vizepräsidenten der IHK Ulm Verdientes zukommen zu lassen. Artikel folgt. Da platzt mir in all das die nächste Horrormeldung zu Spaichingen hinein. Das war die vorherige.

Der Gemeinderat dort zeigt in der „Aufarbeitung“ (?) der toxischen Hinterlassenschaft des im März 2020 nicht wiedergewählten Bürgermeisters Hans Georg Schuhmacher (intern abgekürzt als „HGS“) ein Eskalationstempo, das meine gesamte Artikelplanung über den Haufen wirft. Aber wenn in Spaichingen der FDP-Fraktionsvorsitzende Leo Grimm am vergangenen Montag zwischen der nichtöffentlichen und der öffentlichen Gemeinderatssitzung dem Ortsvorsitzenden der Grünen, Hermann Polzer, an die Gurgel geht, müssen eben GTBW, der IHK-Ulm-Vizepräsident Johannes Remmele und die Erst-Spende-dann-Grundstückszusage-Vorgänge in Ochsenhausen noch einen Moment warten.
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Symbolbild / Foto: pixabay

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Konfliktbewältigungskompetenz eines Neandertalers
Zu dem präzivilisatorischen Event liegen (mir) mehrere Augenzeugenberichte vor. Mir persönlich blieb der Anblick sich würgender Gemeinderäte erspart. Aber ich weiß jetzt auch, warum ich schon aus gesundheitlichen Gründen besser nicht nach Spaichingen fahre. Außerdem hat meine Mutti immer gesagt, Proleten seien kein Umgang für mich.

Dafür kann ich mich auf die detaillierte Beschreibung der stattgehabten Vorgänge im Heuberger Boten beziehen: „FDP-Gemeinderat geht Ex-Kollegen im Streit an die Gurgel“.

Einig sind sich alle Berichte über das vorausgehende Setting: FDP-Gemeinderat Leo Grimm befand sich im wenig überraschenden und offensichtlich intimen Gespräch mit seinem früheren Berater, dem rechten Publizisten Jochen Kastilan. Dieser Kontakt entfaltet deshalb politische Aussagekraft, weil der Blogger vom Lahrer Amtsgericht wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Kastilan ist in Berufung gegangen. Das Verfahren ruht aber momentan.

Dieses traute und politisch durchaus aussagekräftige Tête-à-Tête wollte Hermann Polzer fotografieren. Das war – zugegeben – nur eine bedingt gute Idee (wg.: Recht am eigenen Bild). Aber in Spaichingen hatte es in den vergangenen 16 Jahren schon viel mehr „bedingt gute Ideen“ gegeben, ohne dass der FDP-Mann Leo Grimm eingeschritten wäre. Dieses fatale Zaudern, das einen bekannten und bekennenden Teil des Spaichinger Gemeinderats schon in den Ruch krümelgreller Mittäterschaft gebracht hat,  trachtete der „Liberale“ (hö?) nun offensichtlich in einem Aufwasch wettzumachen, in dem er seinem politischen Gegner buchstäblich an die Gurgel gegangen sei.

Grandios!

Augenzeuge dieses vorzivilisatorischen Ausfallschritts soll der Grünen-Gemeinderat Alexander Efinger gewesen sein. Der habe dann auch möglicherweise Schlimmeres verhindert? Zumindest habe er sich zwischen Würger und Gewürgten geworfen. Unter verbaler Etikettierung des Faktischen: „tätlicher Angriff“. Dem Heuberger Bote berichtet Efinger, er habe seinen Augen nicht getraut, als er den Übergriff gesehen habe.

Über den weiteren Verlauf der Attacke  gibt es dann wieder divergierende Angaben. Der inzwischen auf den Plan gerufene Bürgermeister Markus Hugger habe Kastilan gebeten, den Saal zu verlassen, was dieser dann auch getan habe.

Anders als solche Dinge beim Südkurier gehandhabt werden, hat der Heuberger Bote Gemeinderat Leo Grimm zur Stellungnahme gebeten. Der erklärt wenig überzeugend, es könne sein, dass er Polzer bei dem Disput am Hals berührt habe.

Kennen Sie doch, oder? Da sagt man jemanden „Guten Tag“ und zerfasert sich anschließend im Zweifel, ob man denjenigen dabei am Hals berührt hat.

Grimm habe sich entschuldigt. Polzer habe die Entschuldigung akzeptiert.

Polzer, der keinerlei Zweifel, stattdessen aber anhaltenden Schmerz am Hals zu Protokoll gibt, hat auch den angeblichen Versöhnungsteil anders erlebt. Er behält sich juristische Schritte vor.
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Symbolfoto Rike / pixelio.de

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Leo Grimm final als Gemeinderat disqualifiziert

Ob ja/nein, wann, wo ein „Ausgleich“ zwischen Grimm und Polzer stattgefunden hat oder stattfinden wird, ist offen.

Klar dagegen ist: Ein Gemeinderat, der sich zur Gewalt gegenüber dem politischen Gegner hinreißen lässt und offensichtlich über die Frustrationstoleranz eines dreijährigen Kleinkindes verfügt, hat sich final als Mitglied der zivilen Gesellschaft und vor allem als Gemeinderat disqualifiziert.

Die Ungeheuerlichkeit des Gesamtkunstwerks veranlasst die SchwäZ-Redakteurin Regina Braungart zu einem Kommentar mit der (schon reichlich abgenudelten) Headline: „Die Nerven liegen blank“. Darin greift sie den von Efinger eingebrachten Vorschlag eines Untersuchungsausschusses auf. Dieser soll die Ungereimtheiten aus der HGS-Amtszeit aufarbeiten.

Bisher in der dazu kommentierenden Publizistik (Wow! Das habe ich jetzt aber mal elegant umschifft …) ungeklärt ist die Frage, ob es so etwas wie einen Untersuchungsausschuss auf Kommunalebene geben kann. Zwar mag es dem kommunalen Gremium freigestellt sein, Ausschüsse beliebiger Art und Funktion zu bilden. Es fragt sich nur, welche Kompetenzen die Mitglieder eines solchen Ausschusses – Gemeinderäte im Ehrenamt – haben können. Mit den weitreichenden Befugnissen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist ein solcher vermutlich nicht zu vergleichen.

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