PB1: Neue Rubrik auf SatireSenf.de: Bondage

Man möchte ja schon lieber wieder nicht wissen, warum Leser im Internet eine Rubrik anklicken, die da „Bondage“ verspricht? Was immer der aufgeregte Klicker vorzufinden erhofft – wie es sich für einen Blog mit dem Namensbestandteil „Satire“ gehört, wird er eines viel Besseren belehrt.

Und das auch nicht unbedingt schmerzfrei …

Die neue Rubrik „Bondage“ auf SatireSenf.de dokumentiert nämlich durchaus „eine Form der Fesselung“ und „Einschränkung“. Es ist allerdings nicht die der „Bewegungs“-, stattdessen aber die der Presse-, in meinem Fall etwas tiefergehängt die der publizistischen Freiheit.

In den Gesprächen mit meinen Lesern stelle ich immer wieder fest, dass nicht allen unmittelbar einsichtig ist, warum ich, salopp geschrieben, immer so einen Terz um nicht beantwortete Presseanfragen mache. Das hat einen ganz einfachen, sehr handfesten und unter Umständen sogar existentiellen Grund: Als hauptberufliche Journalistin MUSS ich den sogenannten journalistischen Sorgfaltskriterien genügen. Verletzungen derer, wie sie sich zum Beispiel der Südkurier hier leistet, scheiden für mich aus. Und das auch dann, wenn die Publizistik – wie die auf SatireSenf.de – nur stellenweise Berührungspunkte mit dem klassischen Journalismus aufweist.

Ein Widerspruch, ganz klar. Ist aber so. Und ich bin bisher in meiner Publizistik ganz hervorragend damit gefahren, diese Anforderung sehr ernst zu nehmen.

Die (versuchte und gescheiterte) Abmahnung der Gemeinde Salem, Bürgermeister Manfred Härle (CDU), ist ein gutes Beispiel dafür. Auch wenn der erschütternd unprofessionell Abmahnende noch nicht einmal seine Aktivlegitimation nachwies, kam er schon mit dem Vorwurf um die Ecke, ich hätte beim Bürgermeister die WORD-Dokumentenvorlage für die (angeblich) von der CDU Salem stammende Pressemitteilung erfragen müssen.

Das ist in diesem Fall Unsinn, weil der (zumindest in der offiziellen Version) Verantwortliche für das Schreiben der CDU-Ortsverbandsvorsitzende Franz  Jehle war, dem ich selbstverständlich auch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (hier und per Mail). Wovon er keinen Gebrauch gemacht hatte.

In der SaSe-Rubrik „TagesSenf“ bin ich für diejenigen Fälle von Presseanfragen freigestellt, in denen ich Zeitungsmeldungen kuratiere und diese kommentiere. Sobald es sich jedoch um neue Sachverhalte oder gar Vorwürfe mit einem neuen Faktenkern handelt, bin ich, Blog hin, Bloggerei her, verpflichtet, dem Besenften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sonst handele ich mir unter Umständen ganz rasch eine Abmahnung ein, die sich nicht so easy am Häme-Faden abseilen lässt wie diejenige der Gemeinde Salem.

Formal werden die Artikel in dieser Rubrik die Kennung „PB“ (für „Presse-Bondage“) mit fortlaufender Nummer erhalten. SaSe-Stammleser kennen diesen Usus schon aus den anderen Rubriken auf diesem Blog.
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Transparenz und geltendes Recht
Verweigerte Presseauskünfte haben natürlich sehr viel mit (mangelnder) Transparenz zu tun. Transparenz aber ist ein zentrales Anliegen dieses Blogs in Bezug auf die Kommunalpolitik in den mich umgebenden Landkreisen.

Und auch kein überflüssiges Beiwerk: Zumindest Behörden und – für den SaSe-Themenbereich insbesondere die Bürgermeister – sind nach Landespressegesetz Baden-Württemberg schlicht verpflichtet, Presseanfragen zu beantworten (vgl. Landespressegesetz Baden-Württemberg Paragraf 4), sofern dem nicht höherwertige Güter (daselbst genannt – z. B. Datenschutz, Persönlichkeitsrechte u. a.m.) entgegenstehen. Es hat etwas mit dem zu tun, mit dem zumindest einige Bürgermeister in meinem Berichtsradius nicht wirklich intim vertraut sind: Demokratie und Pressefreiheit.

Auch wenn mich einige (viele?/manche?/doch nicht etwa … alle?) meiner SchwäZ– und Südkurier-Kolleg*innen nur noch als den dritten Aufguss von „Journalistin“ betrachten, den dieser Profession auferlegten Sorgfaltskriterien bin ich gleichwertig unterworfen. Da senft keine Linguistin der Justiziabilität den Anker ab!
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Beispiel Gemeindetag Baden-Württemberg
Aber selbst wenn es sich um Personen oder Institutionen handelt, die dieser expliziten gesetzlichen Anforderung nicht unterliegen, bietet eine verweigerte Presseauskunft dem Angefragten immerhin die Chance, eine Veröffentlichung massiv zu verschleppen oder darauf zu hoffen, dass die Anfragende kapituliert.

Als aktuelles Beispiel aus meinem Redaktionsalltag zu nennen ist der Gemeindetag Baden-Württemberg (GTBW). Als eingetragener Verein ist er in keiner Weise verpflichtet, eine / meine Presseanfrage zu beantworten. Das steht im Widerspruch zu dem hohen politischen und verfassungsrechtlichen Stellenwert, den diese Institution besitzt. In der Landesverfassung ist sie ausdrücklich genannt.

Den Verbänden (es gibt insgesamt drei solcher in BW: GT plus Städtetag und Landkreistag) wird in Artikel 71 der Landesverfassung dasselbe Recht hinsichtlich der Selbstverwaltung wie den Gemeinden selbst zugesprochen. Das katapultiert mich jetzt in die noch neue Rolle einer Trägerin verfassungsrechtlicher Bedenken.  Denn tatsächlich halte ich es für verfassungsrechtlich fragwürdig, dass diese Verbände dann hinsichtlich Transparenz und Öffentlichkeit nicht auch denselben Ansprüchen (eben: Auskunft zu erteilen) unterworfen sind.

Außerdem nimmt der GTBW massiven Einfluss auf die Landes- und Kommunalpolitik (nur ein Beispiel: Thema Bauplatzvergabe).
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So behindert der GTBW meine Arbeit
Bleiben wir bei dieser mehr als ominösen Einrichtung, diesem komplett intransparenten Männerbund. Es ist nicht so, dass der GTBW noch nie Presseanfragen von mir beantwortet hätte. Im Februar 2020 war noch alles gut. Zum Thema Baupilot GmbH hatte der GTBW zügig Auskunft erteilt, wenn auch nicht zu den heiklen Personalien Stephan Mantz und Mathias Heinzler, die beiden Baupilot-Geschäftsführer, wobei Mantz gleichzeitig auch noch hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Wain (Landkreis Biberach) ist.

Aber im Mai 2020 war die Herrlichkeit dann zu Ende. Eine Presseanfrage vom 18. Mai 2020 zum Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen in der Causa Ummendorf und die vom GTBW offensichtlich nach wie vor herausgegebenen Muster-Bauplatz-Vergabekriterien, die im Oktober 2019 und damit weit vor diesem wichtigen Urteil verfasst wurden, blieb unbeantwortet.

Und in meiner aktuellen Recherche zu Rechtsform, Transparenz und Arbeitsweise des GTBW werde ich seit Wochen behindert:

+ Am 27. Juni 2020 habe ich versucht, telefonisch Kontakt mit der Pressestelle des GTBW aufzunehmen. Dort wurde mir der Rückruf der zuständigen Mitarbeiterin zugesagt.
Ein Rückruf der zuständigen Mitarbeiterin ist nie erfolgt.

+ Am Sonntag, den 28. Juni 2020, habe ich daraufhin eine Mail mit Kontaktwunsch an die zuständige Mitarbeiterin geschickt.
Keine Reaktion, keine Antwort.

+ Am Montag, den 29. Juni 2020, habe ich erneut versucht, telefonisch die Pressestelle des GTBW zu erreichen. Die Dame dort war höflich, notierte meine Kontaktdaten und sagte mir einen Rückruf der zuständigen Mitarbeiterin zu.
Auch dieser Rückruf ist nie erfolgt.

+ Am Dienstag, den 30. Juni 2020, schließlich habe ich meine schriftlichen Fragen per E-Mail an die Pressestelle des GTBW geschickt. Als Redaktionsschluss hatte ich das Ende der Woche (ergo den 3. Juli 2020) benannt. Einen Tag davor (02.07.2020) erhalte ich eine E-Mail der zuständigen Pressesprecherin mit dem Hinweis, man sei leider nicht in der Lage, meine vielen Fragen (13!) im angegebenen Zeitfenster zu beantworten. Die Auskunft wird für diese Woche angekündigt.

Können Sie sich ansatzweise meine Spannung vorstellen? Und diese Woche ist ja noch lang!
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Kriterien der Rubrik „Bondage“
Sicherlich werde ich nicht alle unbeantworteten Presseanfragen in dieser Rubrik veröffentlichen. Manche erledigen sich unterwegs auch von selbst oder sind nicht mehr aktuell. Um den Lesern jedoch zumindest einen groben Eindruck davon zu vermitteln, wie massiv meine publizistische Arbeit durch diese Verweigerungshaltung der Behörden und Institutionen – und im Falle von Bürgermeistern auch Rechtsverletzung – behindert wird, werde ich relevante Anfragen hier dokumentieren.

Nicht zuletzt steckt in jeder schriftlichen Presseanfrage auch ein Haufen Arbeit!

Gerade heute und im Kontext der Industrie- und Handelskammer Ulm (IHK Ulm) durfte ich außerdem noch einen weiteren Ausweich-Move zu Presseanfragen kennenlernen, der mir bisher noch nie untergekommen ist: Person X habe nicht in ihrer Funktion als Vizepräsident der IHK Ulm agiert. Tricky: Denn er wird im vorliegenden Fall in exakt dieser Funktion in der Presse zitiert!

Aber zu diesem wieder ganz besonders dicken Klops wird es noch einen eigenen TagesSenf geben. Und auf diese Ankündigung können Sie eher eine Burg bauen als auf die avisierte Presseauskunft des GTBW!

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