Was war die ursprüngliche Idee für diesen Senf?
Der faszinierende Kontrast zwischen dem Bürgermeisterwahlkampf in Orsingen-Nenzingen zu dem in Achberg.
Was bitte soll daran faszinierend sein?
Allein schon die krass divergierende Anzahl der Bewerber. Ich lese das als eine widersprüchliche Wasserstandsmeldung zur Demokratie auf dem platten Land.
Und in diesen komplizierten Vergleich hinein wolltest Du dann noch die Sprache des Zeitgeistes einbauen mit „Impfmüdigkeit“, „Impfdrängler“, „Impfkatastrophe“ etc.?
Das kriege ich, glaube ich, nicht hin?
Demut steht Dir gut! Und was stört jetzt die ursprüngliche Konzeption des Senfes?
Die SPIEGEL-Meldung, dass ausgerechnet in Achberg eine südafrikanische Corona-Mutante aufgetaucht ist und 150 Menschen in Quarantäne müssen.
What? Dann ist das Kaff ja nachgerade geschlossen – bei 1750 Einwohnern!
Na ja, ganz reicht es noch nicht. Aber wenn der in Achberg immer noch amtierende Bürgermeister-Wüterich Dr. Johannes Aschauer wie letztes Jahr jetzt noch eine Rußklumpen-Sammelaktion mit 200 Helfern oder ähnlichen menschengefährdenden Blödsinn veranstaltet, könnte es klappen?
Hat denn das eine – also dieser katastrophale Corona-Ausbruch – mit dem anderen – den Bürgermeisterwahlen – zu tun?
Nicht, dass ich einen Konnex wirklich erkennen könnte.
Dann schreib das zusammen in einen Artikel. Treffender lässt sich der Zeitgeist und die insgesamt nicht mehr darstellbaren Zusammenhänge nicht zeichnen?
Yes!
Achberg, Landkreis Ravensburg, 1760 Einwohner. Amtierender Bürgermeister Dr. Johannes Aschauer. Extrem umstritten. Geht jetzt, von einigen Bürgern in Achberg händeringend erwartet, in den Ruhestand. Bürgermeisterwahl am 14. März 2021. Einziger Kandidat nach Bewerbungsschluss: Tobias Walch. Seine Wahl ist vermutlich nur noch eine Formsache.
Walch arbeitet derzeit noch und sowieso schon lange beim Landratsamt Lindau. Einige SaSe-Leser bitte ich, diese Konstellation im Hinterkopf zu behalten, wenn sie mich demnächst wieder fragen, warum Fachaufsichtsbeschwerden über Bürgermeister von den Landratsämtern nahezu immer abgeschmettert werden. Nicht wenige Bürgermeister kommen genau von dort, also einer kommunalen Aufsichtsbehörde (z. B. auch der Multitasking-Wain-Bürgermeister und Baupilot-Geschäftsführer Stephan Mantz).
Wenn ich darüber hinaus an dieser Stelle auch noch darauf hinweise, dass ich in dieser fatalen Vernetzung auch den Grund dafür sehe, warum eine ganz schlichte und klitzekleine Presseanfrage von mir an das Landratsamt Lindau vom 3. Februar 2021 zur Causa Achberg immer noch nicht beantwortet ist, überfordert dass vielleicht den einen oder anderen? Oder soll ich das Gesamtbild mal aufzeichnen?
Lass es doch einfach weg!
Dann lass ich es doch einfach weg.
Es steht also schlecht um die Demokratie in Achberg, wenn es nur einen einzigen Kandidaten für das Aufreger-Amt gibt? Zumal jene Bürger, von denen oben schon einmal die Rede war und die sich ausschließlich anonym unter der Bezeichnung Kritische Achberger Bürger (KAB) in analogen Briefen verlautbarten (hier), ausdrücklich einen eigenen Kandidaten angekündigt hatten.
Der ist nun aber nicht erschienen. Außer Tobias Walch gibt es keine weiteren Kandidaten für das Achberger Rathaus.
Die KAB sind nicht nur deshalb mehr oder weniger erledigt, weil unglaubwürdig. Den Mangel an kontroverser kommunalpolitischer Diskussion in ihren anonymen Briefen immer beklagend, haben sie nicht von dem Gesprächsangebot Raimund Dismanns mit der Facebook-Gruppe „Achberg diskutiert“ Gebrauch gemacht.
Nach einigen rechtsverletzenden Postings dort und der vollkommen korrekten und auch notwendigen Intervention Dismanns trüge diese Gruppe inzwischen den treffenderen Namen „Achberg diskutiert NICHT“. 110 Mitglieder, aber nur eine Handvoll derer schreiben. Und auch nur: Ungefährliches. Unpolitisches. Unproduktives. Verzichtbares.
Immerhin: Dieser Gruppe und ihrer Facebook-typischen Entgleisungen ist es zu verdanken, dass Walchs Maske der nicht wirklich authentisch wirkenden Freundlichkeit und Bürgernähe dann doch einmal verrutschte. Nachstehendes Posting sollten sich die Achberger ausschneiden und gut aufbewahren. Sie werden es – meine Prognose – noch gebrauchen können.
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Was für eine sonnenkönigliche Anmaßung Walchs! Der Bürgermeisterkandidat für Achberg kanzelt hier einen Bürger und den für diese Gruppe juristisch allein verantwortlichen Administrator wie einen Schuljungen dafür ab, dass dieser seinen Pflichten nachkommt. Wie ein trotziges Kleinkind schmeißt Walch die Brocken hin und melodramatisiert seinen Abgang auch noch mit einem narzisstischen „leider“. Allein schon der Vorwurf an Dismann, die Facebook-Gruppe nicht für den persönlichen Wahlkampf Walchs zur Verfügung zu stellen, spricht Bände von Walchs Bürger- und Demokratieverständnis. Natürlich und in demokratischer Fairness wollte Dismann das Ende der Bewerbungsfrist am 16. Februar 2021 abwarten für den Fall, dass es noch weitere Kandidaten gegeben hätte.
Einige Achberger Bürger dürften sich mit diesem unbeherrschten, kindlich-trotzigen, anmaßenden, autoritären und ziemlich dümmlichen „Ausbruch“ Walchs an den momentanen Amtsinhaber erinnert fühlen, der für all das berühmt-berüchtigt ist. War das der Walch-Wolf?
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Richtig gutes SchwäZ-Bewerbervideo
Der Schafspelz jedoch kuschelt: In einem über einstündigen Video stellt Walch sich hier den Wählern bei der Schwäbischen Zeitung vor.
Erneut. Im Sommer hatte es schon einmal so ein SchwäZ-Video gegeben (hier). Das war komplett unterirdisch.
Es erfüllt mich mit heller Freude, dass die Neuauflage sich fundamental von dem Schulmädchen-Report mit Kirchenzugangsberechtigung aus dem Sommer 2020 unterscheidet. Das neue Video hat tatsächlich etwas mit Journalismus zu tun und greift die aktuellen Themen in Achberg auf. Die SchwäZ-Redakteurin Julia Baumann stellt kritische Fragen, die Walch auch beantwortet. Und vor allem: Das Thema KAB wird nicht ausgespart, aber in einer völlig neuen, fast respektvollen Tonalität angesprochen. Das war auch schon mal anders … (hier).
Angesichts der Tatsache, dass Walch für seine Wahl zum neuen Achberger Bürgermeister eigentlich nichts mehr zu tun braucht, ist dieser engagierte Einsatz löblich.
Der zeigt sich auch auf Walchs Wahlkampf-Homepage in einem weiteren, offensichtlich von einem enormen Schlaubatz produziertem Video:
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Hinweis: Wer die satirische Ausformung des hier auch bei Walch exerzierten penetranten Kamera-Perspektiven-Wechsels sehen will, dem sei Jan Böhmermanns Neo Magazin Royal empfohlen (hier). Dort wird diese Technik immer zu Beginn so herrlich veralbert, dass smarte Video-Produzenten sicherlich lieber auf diesen „Gag“ verzichten.
Abgesehen davon, dass es weder professionell noch klug ist, der ganzen Welt das eigene Auto inklusive Kennzeichen vorzustellen.
Fazit Bürgermeisterkandidat Tobias Walch: 1 Wolf, 1 Schafspelz, 1 verrutschte Maske, ein ambitionierter Wahlkampf trotz fehlendem Gegenkandidaten, 1 supergutes, informatives Vorstellungsvideo bei der SchwäZ, in dem die Redakteurin Julia Baumann zum Journalismus zurückgefunden hat.
Ist ja nicht nix.
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Szenen-Wechsel: Die Südkurier-Kollegen im Stress
So übersichtlich ist es in Orsingen-Nenzingen, Landkreis Konstanz, 3.524 Einwohner, nicht. Auch dort ist am 14. März 2021 Bürgermeisterwahl. Allerdings wird den Bürgern der Doppelgemeinde der Abschied vom bisherigen Amtsinhaber Bernhard Volk schwerer fallen. Dessen Regentschaft scheint – von außen betrachtet – eine einzige Erfolgsgeschichte? Und zwar durchgehend seit 1989. Dem Südkurier erklärt der 62 Jahre alte Volk hier, warum er trotzdem keine fünfte Amtszeit mehr möchte und zum 31. Mai 2021 aufhören wird.
Allerdings gibt es in Orsingen-Nenzingen auch keine vom Bürgermeister persönlich überwachten Bauhof-Mitarbeiter, die deswegen ihren Job verlieren, kein Martin-Grisa-Haus als Millionengrab und keine Kritischen Orsingen-Nenzingen-Bürger. Vielleicht türmen sich deshalb die Bewerber so dermaßen auf? Die Anzahl derer ist imposant. Sage und schreibe zehn Kandidaten, darunter erfreuliche vier Frauen.
Also zeichnet die Situation in O-N ein ganz anderes Bild vom Zustand der Demokratie auf kommunaler Ebene als in Achberg? Sieht so aus!
Die Kollegen beim Südkurier allerdings können einem leidtun. 10 Vorstellungsartikel, 9 Vorstellungvideos. Meine Güte. Aber es werden weder Mühen noch Zeilen gescheut, um die Wähler auch in Corona-Zeiten möglichst umfassend über die Kandidaten zu informieren. Und die Videos sind sehr informativ … Das sagt oft ein Bild mehr als drei Trillionen Worte?
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Was sprachlich justiziabel sein könnte, transportieren solche Bilder glasklar und schonungslos! Wer möchte schon …
Wo ist meine Tastatur?
Frollein!
Die Kandidaten-Ansammlung für Orsingen-Nenzingen zeichnet ein Bild vitaler Demokratie mit ganz unterschiedlichen Bewerbern bunt schillernder Qualifikation … und manchmal auch von verstörender Naivität und Unbelecktheit.
Kraft souveräner Bloggerinnen-Willkür bringe ich die Truppe jetzt einmal in eine wertende Anordnung: von oben nach unten mit (meiner Einschätzung nach) fallenden Chancen bzw. schlicht auch Sympathien. Das jeweilige Südkurier-Vorstellungsvideo ist jeweils mit verlinkt (Service für die wenigen Südgeschmier-Abonnenten).
+ Sabine Hins, 50 Jahre, Orsingen
Pluspunkt: Sie ist amtierende FGL-Gemeinde- und Kreisrätin und bringt Verwaltungserfahrung mit.
Minuspunkt: Sie hält eine Wahlkampfhomepage für verzichtbar. Ein No-Go!
Ihre berufliche Qualifikation konnte ich den zur Verfügung stehenden Quellen nicht entnehmen. Aber sie weiß, dass die anspruchsvolle Tätigkeit der Bürgermeisterin entsprechende Verwaltungserfahrung zur Voraussetzung hat. Und sie weiß auch, dass es keine weiteren Gewerbegebiet-Ausweisungen mehr geben wird, wenn das Land Baden-Württemberg einen Flächenverbrauch von null anstrebt. So viel Realismus und Themenfokussierung auf der Höhe der Zeit sucht man bei den anderen Kandidaten vergebens.
Das ist Hins Video-Interview.
+ Karin Chluba, 58 Jahre, Radolfzell
Pluspunkt: Chluba ist extrem gut vernetzt und sozial sehr engagiert und verfügt über Erfahrung in der Entwicklung des ländlichen Raums.
Selbstverständlich informiert die Kandidatin auf einer eigenen Homepage.
Das sind ihre Antworten im Südkurier-Video-Interview.
+ Carmen Haberland, 45 Jahre, Rielasingen-Worblingen
Pluspunkt: Juristin mit Verwaltungserfahrung. Jackpot!
Minuspunkt: Parteizugehörigkeit: SPD.
Homepage
Südkurier-Video-Interview
+ Bettina Mink, 53 Jahre, Nenzingen
Minuspunkt: keine Verwaltungserfahrung. Mink ist sympathisch, macht aber insgesamt einen gefährlich unbedarften Eindruck. Und schreibt manchmal blanken Unsinn: „innovative Gespräche“ (hier).
Homepage
Südkurier-Video-Interview
+ Stefan Keil, 47 Jahre, Stockach
Pluspunkt: Der Diplom-Betriebswirt ist derzeit Kulturamtsleiter in Stockach und bringt also Verwaltungserfahrung mit.
Minuspunkt: Mann! Kann er aber nichts für. Er verdient unser Mitgefühl.
Homepage
Südkurier-Video-Interview
+ Andreas Sporrer, 35 Jahre, Singen
Minuspunkt: Auch Sporrer, der eine schulische Ausbildung zum Fachinformatiker angibt, leistet sich die unverzeihliche Arroganz, auf eine Wahlkampf-Homepage und damit auf Informationen zu Person und Programm zu verzichten. Solche Kandidaten sind für mich indiskutabel.
Südkurier-Video-Interview
+ Peter Liebl, 47 Jahre, Güttingen
Auch der Diplom-Finanzwirt unterzieht sich nicht den Mühen, die Wähler unabhängig vom Südkurier über seine Kandidatur zu informieren. Stattdessen gibt er einen Facebook-Account an. Schwach.
Südkurier-Video-Interview
+ Hans-Peter Rothacher, 58 Jahre, Orsingen
Minuspunkt: Der Stabsunteroffizier der Reserve bringt zwar Verwaltungserfahrung (Landratsamt Konstanz) mit, aber er leistet sich schon vor Amtsantritt die Frechheit, nur mit der Presse kommunizieren zu wollen, die ihm passt (hier). Der Mann hat etwas Wesentliches unserer Verfassung nicht verstanden?
Homepage (mit jeder Menge Plattitüden, Floskeln und Bildungszitaten, dafür aber oft ohne Satzendzeichen; die URL ist eine schiere Frechheit!)
Südkurier-Video-Interview. (Besonders geeignet, wenn Sie Einschlafstörungen haben!)
+ Michael Stadler, 41 Jahre, Schleiden (Eifel)
Alter Bekannter auf diesem Blog. Er hat aber versprochen, dass diese seine letzte Bürgermeister-Kandidatur sein wird. Ufff.
Homepage (mit inhaltlichen Korrekturen nach diesem Senf).
Südkurier-Video-Interview
+ Samuel Speitelsbach, Ravenstein
Über diesen bundesweit bekannten und rechtsdrehenden Dauerkandidaten ist jedes weitere Wort zu viel. Natürlich gibt es von ihm weder eine Wahlkampf-Homepage noch ein Südkurier-Video-Interview.
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Man braucht keine Glaskugel, um vorherzusagen, dass in Orsingen-Nenzingen wohl zwei Wahlgänge nötig werden, bis ein/e Bürgermeister*in feststeht. Aufgrund der hohen Anzahl der Bewerber wird es voraussichtlich eher keiner schaffen, im ersten Anlauf über die 50 Prozent zu kommen.