HInfo51: Der Demokratie-Patient Achberg: SaSe veröffentlicht die anonymen Briefe

Sorry für die Verzögerung beim Thema Achberg (Landkreis Ravensburg; Berichterstattung hier, hier, hier und hier).

Aber wenn die Kandidaten im Bürgermeisterwahlkampf in Salem derartige Klöpse abliefern (Klops 1, Klops 2), muss ich die Berichterstattung darüber vorziehen.

Zurück zu Achberg: Momentan scheint der Aufruhr dort etwas zur Ruhe gekommen zu sein. Die Kritischen Achberger Bürger (KAB) haben sich – trotz der hier formulierten Bitte – auch nicht mehr bei mir gemeldet. Dafür stehe ich inzwischen im Kontakt zu gut informierten, seriösen und demokratiebesorgten Informanten in dieser butzenkleinen Kommune.

Es steht  ja immer noch die Veröffentlichung der anonymen Briefe aus, die mit diesem Artikel erfolgt. Dazu gibt es noch ein sehr informatives Begleitschreiben der KAB an mich. Das kann ich leider nicht veröffentlichen (auch wenn ich das an anderer Stelle angekündigt hatte – Fehler!). Denn dafür liegt mir keine Erlaubnis der Verfasser vor. In dem Begleitschreiben an mich erklären sie allerdings gut verständlich, warum sie auf den Schutz der Anonymität angewiesen sind.
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Achberg ist kein Einzelfall
An dieser Stelle fädeln sich die Vorgänge in Achberg bruchlos in die Gegebenheiten andernorts ein. Achberg ist kein Einzelfall. Deshalb habe ich darüber berichtet. Auf die Parallelen zur Gemeinde Wain (aktuelle Zeitungsmeldung dazu) habe ich schon mehrfach verwiesen. Wenn die schnatternden Gänse der SchwäZ in diesem Interview mit dem Bürgermeisterkandidaten Tobias Walch die „Angst [der KAB] vor Herrn Aschauer“ schlicht in Abrede stellen, ist das entweder bösartig oder sehr dumm.

Gerade heute hatte ich wieder ein Telefonat mit einem verwaltungskritischen Gemeinderat in einem anderen Landkreis. Der schilderte mir anschaulich, was ich aus vielen anderen Fällen weiß: Seine Kinder werden in Schule und Kindergarten gemobbt, weil die Eltern dem Bürgermeister kritisch gegenüberstehen und ihre Kritik öffentlich machen.
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Warum Bürgermeister-Kritiker Angst haben MÜSSEN
Aber nicht nur die Demokraten mit Nachwuchs können besonders in sehr kleinen Gemeinden mit ihrer Bürgermeister-Kritik schnell in private und auch existentielle Nöte geraten. Die Schwägerin von Bürgermeister-Kritiker A arbeitet vielleicht im Rathaus. Wenn ihre Verbindung zu A durch dessen öffentliches Auftreten bekannt werden würde, befürchtet sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes – oder doch zumindest eine radikale Verschlechterung der Arbeitsatmosphäre.

Der Bruder von Bürgermeister-Kritiker B braucht für seine Landwirtschaft die Pachtflächen von dem sehr reichen und einflussreichen C. Dummerweise ist C ein bürgermeistertreuer Gemeinderat, dessen Bauanträge im Gremium auch immer irritierend problemlos durchgehen. Wenn B also mit seiner Kritik an die Öffentlichkeit geht, kriegt er Zoff mit seinem Bruder. Denn der befürchtet nicht ganz unbegründet, dann die dringend benötigten Flächen von C nicht mehr pachten zu können.

Und das sind nur zwei Beispiele von unendlich vielen denkbaren Abhängigkeitsverhältnissen gerade in sehr kleinen Dorfgemeinschaften, die Kritiker der kommunalen Verwaltung mit Recht dazu treiben, aus der Anonymität heraus zu agieren. Und ich gehe jetzt nicht erneut auf die nachweisbaren Fälle ein, wo Bürgermeister ihr Amt und ihre Verbindungen dazu nutzen, einzelnen Kritikern gezielt existentiell zu schaden.

Gerade diese Abhängigkeiten und die vielen mir vorliegenden und belegbaren Fälle sprechen auch leidenschaftlich gegen die Autonomie und Selbstverwaltung solcher Mikro-Kommunen wie Achberg oder Wain mit unter 2.000 Einwohnern.
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Dr. Aschauer ist nur das Symptom
Spätestens an dieser Stelle auch noch einmal der Hinweis: Der Bürgermeister von Achberg, Dr. Johannes Aschauer, ist nur das Symptom für die Abwesenheit demokratischer Mechanismen. Eigentlich verantwortlich für die zahlreichen Missstände in Achberg (aktuell etwa das Thema Seniorenheim Martin-Grisar-Haus) ist der unkritische, undemokratische und dysfunktionale Gemeinderat. Wie sogar die SchwäZ-Lachgänse in ihrem Podcast fröhlich herauströten, werden die Achberger Räte ihrer wichtigsten Aufgabe nicht gerecht: den Bürgermeister zu kontrollieren! Und zwar Kontrolle zum Wohle der Bürger.

Im Moment herrsche eine unheimliche Ruhe in Achberg, wird mir berichtet. Aber das demokratische Defizit persistiert. Man kann sich mit sehr einleuchtenden Gründen darauf verständigen, jetzt ergeben das Ende der Amtszeit von Aschauer abzuwarten. Das Problem dabei: Dieser Gemeinderat bleibt! Und zu welchen Problemen das führt, zeigen die aktuellen Querelen in Spaichingen nach dem Bürgermeister-Wechsel anschaulich.
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Auch Tobias Walch ist ein Problem?
Hinzu kommt: Der Aschauer-Nachfolger ist ja schon „designiert“. Aschauer selbst soll sich für den Bürgermeister-Kandidaten Tobias Walch ausgesprochen haben. Kein gutes Zeichen für diejenigen, die auf Veränderung und Demokratie in Achberg hoffen.

Walch hat sich auch im Management mit den anonymen Briefen nicht gerade souverän gezeigt und ist allzu bereitwillig auf die Linie von Aschauer und der Lindauer Zeitung eingeschwenkt.

Sein Umgang mit unabhängiger Presse lässt auch nichts Gutes vermuten. Wie schon an anderer Stelle angedeutet, hatte ich bei der Hintergrund-Recherche versucht, Kontakt zu Tobias Walch zu bekommen. Auf einen entsprechenden Wunsch, den ich ihm auf der Mailbox seines Mobiltelefons hinterlassen hatte, schreibt er mir zurück:

[…]
ich nehme Bezug auf Ihre Nachricht auf meiner Mailbox von heute Mittag. Meine Wahlbewerbung habe ich bis zum Herbst ausgesetzt, eine derart lange Bewerbungszeit braucht Achberg nicht. In der Angelegenheit der Kritischen Bürger Achberg habe ich mich öffentlich bereits geäußert. Darüber hinausgehende Fragen Ihrerseits beantworte ich Ihnen gerne schriftlich.
(Bürgermeisterkandidat Tobias Walch per Mail am 24.08.2020 an diese Redaktion; Hervorhebg. K. B.)

Wenn ich für die Hintergrundrecherche meine Presseanfragen auch noch schriftlich rausschicken muss, dann werde ich ja gar nicht mehr fertig. Positiv: Walch ist grundsätzlich bereit, (meine) Pressefragen zu beantworten. Aber seine Forderung, diese schriftlich einzureichen, ist deutlich drüber … über seiner aktuellen Position allzumal! Wenn allerdings Größenwahn eine Qualifikation für dieses Amt sein sollte, zeigt er gute Ansätze.

Sobald der Wahlkampf dann (zum zweien Mal) beginnt, werden wir uns wieder mit Tobias Walch beschäftigen …

Vielleicht ist bis dahin ja mein „Bürgermeister-Macherinnen“-Artikel zur Frage des souveränen Umgangs von Bürgermeisterkandidaten mit bissigen Satirikerinnen erschienen? (Wenn man nicht alles selber macht …)
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Wird’s jetzt endlich mal was mit den Briefen?
So, also jetzt die beiden anonymen Briefe der KAB. Zu deren Seriosität gilt das an anderer Stelle schon Aufgezählte. Bei der Liste vergessen habe ich noch einen weiteren Punkt, der unbedingt für die Kritik der KAB spricht: Sie agieren bisher lediglich anonym über diese in ihrer Tonalität zurückgenommenen zwei analogen Briefe. Sie agieren NICHT anonym und hetzerisch (wie manch andere) im Internet und über die sozialen Netzwerke. Das lässt auch gewisse Rückschlüsse auf den Altersschnitt der Akteure zu.

Meine mehrwöchigen Recherchen zu Achberg zeigen darüber hinaus: Es gibt noch zahlreiche andere Kritiker von Bürgermeister und Gemeinderat, die sich als nicht zu den KAB gehörig ausweisen, sich teilweise auch mit berechtigter Kritik von diesen distanzieren. Das angebliche Stimmungsbild (z. B. „einhellige Empörung“), das insbesondere die Lindauer Zeitung zu den Zerwürfnissen in Achberg zu vermitteln sucht, ist nicht zutreffend.
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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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Mehrheit ist nicht Demokratie
Hinzu kommt: Die Tatsache, dass tatsächlich ein größerer Anteil der Achberger Bürger hinter den grenzwertigen Sperenzien von Aschauer steht, legitimiert diese und ihn in keiner Weise. Die SchwäZ i. e. Lindauer Zeitung unterstellt in ihrer Berichterstattung, die meiner Meinung nach nicht unabhängig ist, irgendwelche Mehrheiten ergäben quasi eine demokratische Legitimation. Aber: Mehrheit ist nicht Demokratie!  Im Dritten Reich gab es auch eine erschreckende Mehrheit für die einschlägigen Verbrecher.

Demokratie ist weit mehr als Mehrheit: Sie lebt von funktionierenden demokratischen Strukturen. Auf kommunaler Ebene ist das zuvorderst ein unabhängig agierender, kritischer Gemeinderat, der den Bürgermeister wirksam kontrolliert. Demokratie ist Meinungsfreiheit und Pressevielfalt – nicht aber eine Lindauer Zeitung, die ganz offensichtlich dem Bürgermeister zu Diensten ist, Sachverhalte nicht hinterfragt, schwerste Verstöße gegen eine Landesverordnung in Solidaritätsbezeugungen umschreibt (Rußklumpensammelaktion) und insgesamt nicht zu kritischer Berichterstattung fähig zu sein scheint.

Demokraten ist der Schutz und der Respekt vor Menschen wie den KAB heilig; ihnen eine Stimme zu geben und ihre Vorwürfe objektiv zu prüfen ist vornehmste Pflicht einer unabhängigen Presse. Sie mit semantischem Bullshit wie etwa die schon behandelten „Schikanen“ in Grund und Boden zu schreiben, ist etwas, was ich lieber nicht mit dem treffenden Wort bezeichne.

Dieser Blog hatte Bürgermeister Dr. Johannes Aschauer vor der Veröffentlichung der Briefe die Möglichkeit gegeben, zu den darin erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Er hat davon keinen Gebrauch gemacht.

+ anonymer Brief der Kritischen Achberger Bürger, undatiert
+ anonymer Brief der Kritischen Achberger Bürger „im Juli 2020“

Achberg bleibt Berichtsgemeinde dieses Blogs!

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