HInfo44: Langenargen: Mysterium Schützenweg weitgehend geklärt

Der Marathonläufer. Wenn er durchs Ziel geht, stehen immer irgendwelche Menschen da, die seinen Sieg zumindest registrieren und ihn im günstigsten Fall dafür feiern. Mein „Marathonlauf“, zu dem Mysterium Schützenweg in Langenargen von den zuständigen Behörden irgendeine bündige oder mindestens plausible Erklärung zu erhalten, vollzog sich in singulärer Stille. Aber er vollzog sich. Nun doch. Noch.

Das Setting des erst im Verlaufe des Rennens als Marathon sich darstellenden Phänomens ist in HInfo38 (länglich) beschrieben: Der Langenargener Gartenbaubetrieb Knam hatte 2019 am Schützenweg eine Kühlhalle mit Baugenehmigung nach Paragraf 35 Bau-Gesetzbuch im Außenbereich errichtet. Voraussetzung für eine solche Baugenehmigung ist eine vorhandene Erschließung des Baugrundstücks.

Die Frage für die Langenargener Bloggerin Elke Krieg und mich war, ob der Schützenweg als besserer Feldweg ohne befestigte Seitenbankette und andere volkstümliche Merkmale einer „Straße“ als Erschließung der Zufahrt zu bewerten ist.

Ich hatte die gesamte Recherche übernommen, weil der Inhaber der Gärtnerei Knam es für eine gute Idee gehalten hatte, Elke Krieg bei ihren ersten kritischen Fragen zu diesem Thema mit einem Hausverbot zu belegen. Kam dann aber raus: War doch keine so gute Idee …

Erschwerend zu diesem Straßenmysterium hinzu kommt, dass diese einzige Zufahrt zur Knam-Kühlhalle aus beiden Fahrtrichtungen mit dem Verkehrsschild Nummer 260 versehen ist Und das besagt: Verbot für Kraftfahrzeuge. Nur aus östlicher Fahrtrichtung ist/war (?) Nummer 260 zusätzlich mit dem Hinweis versehen: „Landwirtschaftl. Verkehr und Linienverkehr frei“.
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Der Schützenweg in Langenargen aus westlicher Richtung (Mooser Weg) ist ohne Einschränkung für Kraftfahrzeuge aller Art gesperrt. Foto: Elke Krieg

Der Schützenweg in Langenargen aus westlicher Richtung (Mooser Weg) ist ohne Einschränkung für Kraftfahrzeuge gesperrt.
Foto: Elke Krieg

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ABER. Aber. Eben: Über diesen Schützenweg rollt seit Bestehen und Betreiben besagter Kühlhalle regelmäßig Schwerlastverkehr. Richtig große Lastkraftwagen, 40-Tonner und so, von diversen Speditionen und Logistikunternehmen.
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Was Sie hier sehen (Aufnahme Oktober 2019), ist nicht etwa einfacher Schwerlastverkehr mit 40-Tonnen-Lkw vor der Kühlhalle Gartenbau Knam. Monatelange verbissene Recherche beförderte die Erkenntnis zu Tage: Das ist landwirtschaftlicher Verkehr pur! Foto: Elke Krieg

Was Sie hier sehen (Aufnahme Oktober 2019), ist nicht etwa einfacher Schwerlastverkehr mit einem xx-Tonnen-Lkw vor der Kühlhalle Gartenbau Knam. Monatelange verbissene Recherche beförderte die Erkenntnis zu Tage: Das ist landwirtschaftlicher Verkehr pur! Die Aufnahme ist deshalb so unscharf, weil die Kollegin natürlich beim Fotografieren vor Angst zitterte wie Heidekraut – nach DEM Hausverbot!
Foto: Elke Krieg

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Gemeinsames Buchprojekt: „Presseauskünfte zum Schützenweg“
Um dieses Phänomen zu klären, hatten sowohl die Kollegin Krieg wie ich seit Spätsommer 2019 wiederholte Presseanfragen in Hülle und Fülle an alle zuständigen Behörden gerichtet: die Gemeinde Langenargen, an den Gemeindeverwaltungsverband (GVV) Eriskirch-Langenargen-Kressbronn und an das Landratsamt Bodenseekreis.

Krieg und ich planen jetzt unser erstes gemeinsames Buch herauszugeben: alle Presseauskünfte zur Baugenehmigung für die Kühlhalle Knam. Material genug haben wir. Summary:  Jeder erzählt etwas anderes, alle widersprechen sich und kaum einer ist zuständig.
Wahrscheinlich werde ich meine journalistische Vita mit der Bitterkeit abschließen müssen, zumindest das Zustandekommen der Baugenehmigung für diese Halle nicht aufgeklärt zu haben. Aber das ist jetzt auch schon egal.

Keine verwertbare Presseauskunft allerdings erhielt ich vom Landratsamt Bodenseekreis. Das antwortet am 23. September 2019 lapidar:

Fragen 2 und 3: da [sic] wir nicht zuständige Baurechtsbehörde sind, können wir hierzu keine Stellung nehmen. Wie Sie selber richtigerweise feststellen, ist hier der Gemeindeverwaltungsverband die richtige Ansprechstelle.
(Presseauskunft Landratsamt Bodenseekreis Robert Schwarz 23.09.2019; Hervorhebg. K . B.)
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Bodenseekreis: Wo der eine weiß nicht, was der andere tut
Die Ansage vom Landratsamt, der GVV sei die richtige Ansprechstelle, war auch nicht wirklich hilfreich. Und möglicherweise noch nicht einmal sachlich richtig. Denn dazu schreibt mir der stellvertretende Vorsitzende des GVV, Bürgermeister Daniel Enzensperger, am 11. Oktober 2019:

Der GVV ist keine Behörde wie Sie denken. Hier werden nur Synergien durch Zusammenarbeit geschaffen, die Verantwortung behält jeder für seinen Bereich.
(Presseauskunft Daniel Enzensperger, stellvertretender Vorsitzender des GVV Eriskirch-Langenargen-Kreissbronn am 11.10.2019; Hervorhebg. K. B.)

Übrigens war ich brutal erschrocken, dass der Kressbronner Bürgermeister weiß, was ich denke. Wie macht er das? Und eigentlich hatte ich mich ja nur an die Auskunft vom Landratsamt Bodenseekreis gehalten, das mir den GVV ausdrücklich als „richtige Ansprechstelle“ angegeben hatte.

Immerhin beweisen solche widersprüchlichen Presseantworten, dass im Landkreis Bodenseekreis der eine nicht weiß, was der andere tut. Und recherchierende Bloggerinnen werden dann zwischen diesen Fronten systematisch aufgerieben.
Meine Meinung: Das soll so.

Übrigens beantwortet die Gemeinde Langenargen meine Presseanfragen wahlweise per Anwalt oder nur sehr, sehr, sehr schleppend in grotesk überdehnten Zeitfenstern, was  meine Arbeit behindert.
Meine Meinung: soll.
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Trickreich eine verständliche Antwort vom Landratsamt erwirkt
Um zumindest die Teilfrage „Schwerlastverkehr auf einer für Kraftfahrzeuge gesperrten Nicht-Straße“ zu klären, musste ich klaftertief in die journalistische Trickkiste greifen.

Journalist*innen, die keine vernünftige Auskunft von einer Behörde erhalten, wenden sich in solchen Fällen am besten an die nächst höhere oder noch höher. Das war in diesem Fall das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg in Stuttgart. Die interessieren sich für Schwerlastverkehr auf dem Schützenweg in Langenargen ungefähr so leidenschaftlich wie für die Blähungen eines Regenwurms in Katmandu. Und deshalb leiten sie so eine Anfrage wieder zurück … an das Landratsamt Bodenseekreis. Hoffentlich mit dem dazugehörigen Begleittext.

Und jetzt schauen Sie mal, was dann passiert:

Guten Tag Frau Burger,
als zuständige Straßenverkehrsbehörde beantworten wir gerne Ihre Anfrage:
Beim Schützenweg handelt es sich um eine Gemeindestraße, die mit einem Durchfahrtsverbot (Zeichen 260 StVO) und Zusatz „Landwirtschaftlicher Verkehr und Linienverkehr frei“ beschildert ist.
Der derzeitige Schwerlastverkehr hängt im Wesentlichen mit der Fertigstellung der vom Gemeindeverwaltungsverband genehmigten landwirtschaftlich genutzten Kühlhalle nebst Außenanlagen zusammen.
Unabhängig hiervon darf der Schützenweg auch zukünftig mit Lastkraftwagen befahren werden, sofern diese Fahrten beispielsweise im Zusammenhang mit der Belieferung oder Abholung von Waren der dortigen landwirtschaftlichen Kühlhalle stehen. Für die Frage, ob landwirtschaftlicher Verkehr vorliegt, ist nicht die Art des verwendeten Fahrzeugs entscheidend, sondern der Zweck der Fahrt.
(Presseauskunft Landratsamt Bodenseekreis Robert Schwarz 22.01.2020 in Reaktion auf meine Presseanfrage an das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg am 17.01.2020; Hervorhebg. K. B.)

Der zum Verhältnis LA Bodenseekreis-SaSe gehörige Liebesroman trüge den Titel: Mein Freund Robert Schwarz und ich: Zwei Herzen turteln über dem Schützenweg! Jetzt haben wir also doch noch zueinander gefunden. Und das auch noch „gern“.

Der Ehrlichkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass sich über die Monate hinweg die Fragestellung mit fortschreitender Recherche verändert hatte. Ging es anfangs hauptsächlich um die Baugenehmigung, fokussierte sich der letzte Presseanfrage-Akt auf den Schwerlastverkehr auf dem Schützenweg. Enthalten war dieser Aspekt aber auch schon in der ersten Presseanfrage dazu an das Landratsamt Bodenseekreis.

Zu all meinem Liebesglück hin scheint diese Aussage noch dazu sachlich richtig zu sein und kann dafür sogar höchstrichterliche Entscheidungen vorweisen, wie ich jetzt herausgefunden habe:

So hat das OLG Celle schon 1991 begründet, dass das Schild „Land- oder forstwirtschaftlicher (lof) Verkehr frei“ keineswegs nur für bestimmte Fahrzeugarten freigegeben ist. Für die Frage, ob landwirtschaftlicher Verkehr vorliegt, ist nach Ansicht der Richter nicht die Art des verwendeten Fahrzeugs entscheidend, sondern der Zweck der Fahrt.
(Agrar heute 22.06.2017 „Landwirtschaftlicher Verkehr frei: Was gilt für Lohnunternehmer?“)

Fragt sich nur, warum keine der angefragten Behörden bisher auf diesen dokumentierten und erklärenden Sachverhalt hingewiesen hat.
Ich habe da so eine Idee …
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Meine Karriere als Politesse von Langenargen
Der Vollständigkeit halber hier dann noch die (vorläufig letzte) Presseauskunft zum Thema von der Gemeinde Langenargen. Die Anfrage gestellt hatte ich am 7. Januar 2020. Die Antwort kommt – vom Hauptamtsleiter Klaus-Peter Bitzer – am 17. Januar 2020. Also ganze zehn Tage später.
Hö hö hö.

Der unterhaltsame Teil dieser Auskunft, die vermutlich zu Fuß am Rollator mit beidseitigen Hühneraugen von Langenargen nach Sauldorf schlappen musste, liegt in der Erklärung des fehlenden Verkehrsschilds für den landwirtschaftlichen Verkehr an einem Ende des Schützenwegs:

Wie Sie schreiben, ist „der Schützenweg nachweislich und mit Fotos dokumentiert als gesperrt für Kraftfahrzeuge aller Art ausgewiesen und beschildert. Die Beschilderung lässt noch nicht einmal Anliegerverkehr zu.“
Die von der Straßenverkehrsbehörde angeordnete Beschilderung ist das Zeichen 252 Straßenverkehrsordnung (StVO) – nunmehr ist dieses Zeichen das Zeichen 260 StVO – welches ein Verbot für Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas sowie für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge vorsieht. Gleichzeitig wurde von der Straßenverkehrsbehörde eine Zusatzbeschilderung „Landwirtschaftlicher Verkehr und Linienverkehr frei“ angeordnet. Diese Anordnung datiert aus dem Jahr 1991 und wurde dort umgesetzt. Unsere Vermutung ist, dass das Zusatzschild illegaler weise vom Zeichen 260 entfernt wurde. Dies werden wir durch unser Ordnungsamt wieder richtig ausschildern lassen. Ein Anliegerverkehr ist außer den oben genannten Verkehren tatsächlich nicht möglich. Wir bedanken uns für Ihren Hinweis.
(Presseauskunft der Gemeinde Langenargen am 17.01.2020 auf eine Presseanfrage vom 07.01.2020; Hervorhebg. K. B.)

Bevor ich die Spekulation über derlei kriminelles Tun wie das Entfernen eines hässlichen Hinweisschildes auf die Legalität landwirtschaftlichen Verkehrs durch den Kakao ziehe, verweise ich noch einmal auf das Foto ganz oben … wo tatsächlich entsprechende Halterungen für ein solches Hinweisschild erkennbar sind.

Entweder jemand kann die Gärtnerei Knam nicht leiden … oder jemand wollte mich mal ein halbes Jahr lang gut beschäftigen?

Der vermaledeite Langenargener Schützenweg kann mir aber künftig im Mondschein begegnen. Da konzentriere ich mich doch lieber auf die zartrosa Bande zu meinem Freund Robert Schwarz im Friedrichshafener Landratsamt. Wenn der mir jetzt meine Anfragen jetzt schon „gern“ beantwortet, dann ist alles möglich?

Wahre Liebe wird auch alte Verletzungen überwinden? Ich arbeite dran! Foto: Simone Heinz / pixelio.de

Wahre Liebe wird auch alte Verletzungen überwinden? Ich arbeite dran!
Foto: Simone Heinz / pixelio.de

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