TS20/19: Die Chose mit den einstweiligen Verfügungen: Wochenzeitung kontext und AfD

Wenn es etwas gibt, was mich noch rascher auf die Palme bringt als Bürgermeister und Gemeinderäte in Feudalherrenpose, dann sind das anwaltliche Abmahnungen (mit äußerungsrechtlichem Bezug) und die Androhung von einstweiligen Verfügungen. Die extrem kurze Reaktionszeit erklärt sich aus meiner diesbezüglich ruhmreichen publizistischen Vergangenheit, mit derer 208. Wiederholung ich die SaSe-Stammleser nicht langweilen möchte.

Auch deshalb mein ganz persönlicher Bezug zu der Leuchtturm-Entscheidung des Landgerichts Ravensburg im Verfahren Stadt Ochsenhausen gegen den Bürgermeister-Kritiker Franz Wohnhaas (hier und hier).

Im Übrigen bin ich bei meiner redaktionellen Arbeit zum Thema Bürgerrechtler in Baden-Württemberg ständig mit den nahezu panischen Ängsten der Kritiker vor den genannten anwaltlichen Abmahnungen und angedrohten einstweiligen Verfügungen konfrontiert. Jüngstes Beispiel: Der Energiepark Hahnennest (EPH) und die Metzler-Brodmann Saaten GmbH mahnen zwei Kleinbauern anwaltlich und mit Abmahnkosten in Höhe von – je Adressat – über 1.000 Euro wegen vier Wörtern ab; zwei von denen lauten: „die Pflanze …“, das dritte Wort ist eine Negation.

Immerhin passt diese von mir als Einschüchterungsversuch gewertete Attacke in ein Szenario, bei der so banale Veranstaltungen wie ein Informationsabend über die Agrarpflanze Silphie mit Polizei und einem Sicherheitsdienst abgesichert werden muss (Bericht hier).

Heute erhalte ich den Leser-Hinweis auf eine weitere Leuchtturm-Entscheidung in der Sparte einstweilige Verfügungen – auf einem höheren Level: Die Wochenzeitung kontext hat vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe zum Thema AfD eine Entscheidung erstritten, die sie selbst als Stärkung der „Wächterfunktion der Presse“ bewertet. Dabei ging es um einen ganzen Stapel von öffentlichen Verlautbarungen von Marcel Grauf, einem rechtsextremen AfD-Mitarbeiter im Landtag Baden-Württemberg. Einzelheiten und Verfahrenschronologie dazu hier.

Ergänzender Hinweis von mir: Seriöse (mit ausgewiesenem Impressum etc.) Blogs wie Forum Langenargen, SOFA oder auch SatireSenf.de sind zwar keine „Presse“ im landläufigen Sinne, werden aber von den Gerichten nahezu gleichwertig behandelt, weil man ihre wichtige Funktion für die Demokratie erkannt hat und stärken will.

Auch das OLG Karlsruhe-kontext-Urteil funkt Ermutigung zur ehrlichen und kritischen Berichterstattung in die Lande:

In großen Teilen der Medienbranche sorgte das deutliche Urteil des Oberlandesgerichts für Erleichterung. Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes, sprach von einem „Signal an die Kolleginnen und Kollegen, dass sie den Einschüchterungsversuchen von AfD-Mitgliedern, -Mitarbeitern und -Anwälten nicht sofort nachgeben sollten“. […]
Die Angst in Redaktionen, bereits wegen haarspalterischer Kleinigkeiten verklagt werden zu können, befördert die Schere im Kopf: Heikle Themen werden skeptischer angegangen oder ganz gemieden. […]
Umso wichtiger ist es, solcherlei Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Denn der Fall Grauf ist symptomatisch dafür, wie Neonazis und Faschisten demokratische Institutionen unterwandern.
Die „besorgten Bürger“ sind für ihn ein Mittel zum Zweck. In einer Facebook-Nachricht an einen Freund verspottet er sie: „Die sagen tatsächlich dass sie ja keine Nazis sind. Gibt ein offenes Mikrophon. Hab gedacht ich äußere mich mal. Eröffnungsgag: ‚Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde.“

(kontext-Wochenzeitung  20.02.2019: „In aller Deutlichkeit“; Hervorhebg. K. B.)

Ich möchte den obigen Aufruf erweitern, denn es geht nicht nur um die parteipolitische Auseinandersetzung. Anwaltliche Abmahnungen und die Androhung von einstweiligen Verfügungen sind auch das Mittel der Wahl mit dem Ziel der Einschüchterung in vielen anderen Themenbereichen – sei es der 1.000-Kühe-Stall in Ostrach mitsamt der vergötterten Silphie, der Umgang von Bürgermeister und Gemeinderat mit Steuergeldern und Gemeindevermögen in Ochsenhausen oder die Kritik am (früheren) Tourismuschef in Langenargen.

Deshalb für alle noch einmal im Fettdruck:

Umso wichtiger ist es, solcherlei Auseinandersetzung nicht zu scheuen.

Dazu mein permanentes Angebot, jedem publizierenden Kritiker unterhalb der Ebene von Wochenzeitungen und Landtag, der von anwaltlichen Abmahnungen und der Androhung von einstweiligen Verfügungen betroffen ist, mit meinen Verfahrens- und Prozess-Erfahrungen und besonders mit meinen empirisch bewährten Kontakten (wie im Fall Ochsenhausen) zur Seite zu stehen!
Natürlich: keine Rechtsberatung!

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