TS10/21: Aschauer Achberg: Das Landratsamt Ravensburg ist jetzt wach und trippelt den Krähentanz

Ja, natürlich. War eh klar: Kaum war TS09/21 mit der Kritik an der immer noch fehlenden Presseauskunft des Landratsamts Ravensburg zur Causa Bürgermeister Dr. Johannes Aschauer erschienen, trudelte dieselbe hier ein.

Wie auszugsweise schon angesprochen, hatte ich der Kommunalaufsicht Fragen zu den schockierenden Details des Aschauer-Briefes betreffs des Ausspionierens eines Bauhof-Mitarbeiters der Stadt Lindau gestellt. Aschauers Denunziation führte seinerzeit zur Kündigung des Mannes. Dazu schreibt das Landratsamt Ravensburg (LRA RV):

Der von Ihnen vorgetragene Sachverhalt wurde bisher nicht an den Landkreis herangetragen, die weiteren Details und der Zeitraum des Vorwurfs sind nicht bekannt. Eine rechtliche Bewertung werden wir vornehmen, falls der Betroffene oder eine andere Bürgerin/ein anderer Bürger der Gemeinde Achberg hierzu eine Dienstaufsichtsbeschwerde erheben sollte.
(Presseauskunft Landratsamt Ravensburg am 25.01.20201)

Prima. Dann wird also nichts weiter passieren. Denn der Betroffene selbst wird garantiert keine Beschwerde führen. Die heißt übrigens in Bezug auf Bürgermeister „Fachaufsichtsbeschwerde“ und nicht, wie hier fälschlich geschrieben, „Dienstaufsichtsbeschwerde“. Das Denunziationsopfer muss – wie viele seiner Kolleg*innen – in Achberg leben. Und welcher Terror über diejenigen hereinbricht, die es wagen, Kritik am Achberger Bürgermeister zu üben, hatten wir ja gerade erst wieder in TS09/21 gesehen. Der gechasste Bauhof-Mitarbeiter hat auch dieser Redaktion gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass er in dieser ja schon einige Jahre zurückliegenden Angelegenheit nichts mehr unternehmen werde. Die bekam ja nur durch die schockierenden Geständnisse des Achberger Bürgermeisters in seinem Januar-Brief neue Aktualität.

Ich hatte dann noch nach vergleichbaren Fällen in benachbarten Landkreisen gefragt. Aber diesbezüglich sei dem LRA RV nichts bekannt.

Wir haken diesen Punkt ab.
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Ich LIEBE Krähen. Traumhaft schöne Tiere mit faszinierendem Sozialverhalten. Trotzdem will man diese Wesen im Landratsamt doch lieber nicht haben? Aus strukturellen Gründen jedoch hacken die Kommunalaufsichtskrähen in den baden-württembergischen Landratsämtern ihren Bürgermeister-Kollegen*innen kein Auge aus!
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Meine nächste Frage bezog sich allgemein auf die denunziatorischen Umtriebe Aschauers, für die ich Belege bis zurück ins Jahr 2002 vorliegen habe. Darin versucht der Achberger Bürgermeister, einen missliebigen Bürger bei einer Behörde zu einem Thema anzuschwärzen, das ihn überhaupt nichts angeht. Er bietet der Behörde sogar Fotos an, die diesen Achberger Bürger auf seinem eigenen Grundstück zeigen. Diese „Hinweise“ waren/sind geeignet, gravierende existenzielle Folgen für die Betroffenen nach sich zu ziehen. Siehe Lindauer Bauhof-Mitarbeiter. Die Kommunalaufsicht hatte ich gefragt, ob ihr diese denunziatorischen Nebentätigkeiten des Achberger Bürgermeisters bekannt seien und ob das LRA RV jemals versucht habe, korrigierend auf Aschauer einzuwirken.

Statement LRA RV:

Alle Aufsichtsbeschwerden oder Dienstaufsichtsbeschwerden, die in der Vergangenheit bei uns eingereicht wurden, hat der Landkreis stets gründlich geprüft und dann die notwendigen Entscheidungen getroffen.
(ibid.)

 

Eingriff in den Bürgermeisterwahlkampf?
Meine nächste Frage bezog sich auf Aschauers privilegierte Position als Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses im jetzt gestarteten Bürgermeisterwahlkampf und den potentiellen Eingriff in denselben durch seinen als „privat“ markierten Brief. Bei dieser LRA-Antwort gibt es interessante Zwischentöne:

Der Landkreis hat Herrn Bürgermeister Dr. Aschauer – auf Nachfrage von seiner Seite – gebeten, bei Reaktionen seinerseits zwischen der Privatperson Dr. Aschauer und seinen Funktionen als Bürgermeister und Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses zu trennen. Dieses Amt hat der Bürgermeister kraft Gesetzes inne (§ 11 des Kommunalwahlgesetzes). Mit einem privaten Schreiben zu den kommunalpolitischen Vorgängen in Achberg wird Dr. Aschauer nicht in seiner amtlichen Funktion als Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses tätig.
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)

Der Landkreis hat Aschauer gebeten? Auf Nachfrage? Verstehen Sie das?

Obige Auskunft bringt zur anstehenden Frage überhaupt keine Klarheit, weil sie unterstellt, es gäbe einen Unterschied zwischen dem Bürgermeister Hannes Aschauer und der Privatperson Aschauer. Diesen Unterschied gibt es aber dann nicht, WENN er dieselbe Zielgruppe addressiert. Entweder das LRA RV kennt diesen Nicht-Unterschied und die aktuelle Rechtsprechung dazu nicht oder es hofft, ich kenne den Nicht-Unterschied und die aktuelle Rechtsprechung dazu nicht.

Ich habe gerade eben erst in einem anderen Kontext ein „Jura Proseminar“ abgehalten und keine Lust, hier für diejenigen, die es eigentlich besser wissen müssten, noch einmal die entsprechenden Verpflichtungen eines Bürgermeisters zum Neutralitätsgebot, zum Sachlichkeitsgebot etc. neu aufzurufen. Wen es interessiert, der lese ein wenig hier.

Ich bleibe bei meiner Meinung: Durch den wenn auch als „privat“ etikettierten Brief Aschauers, der sich an einen größeren Empfängerkreis Achberger Bürger richtet, und der sich ausschließlich mit kommunalpolitischen Themen beschäftigt und die Gruppierung Kritische Achberger Bürger (KAB) attackiert, die einen eigenen Kandidaten aufstellen wollen, greift Aschauer in unzulässiger Weise in den Bürgermeisterwahlkampf ein.
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Keine LRA-Beanstandung an Rußsammelaktion
Meine letzte Frage ans LRA RV bezog sich noch einmal auf die von Aschauer organisierte sogenannte Rußsammelaktion im April 2020, bei der mitten im strengsten Lockdown etwa 200 Bürger seinem Aufruf gefolgt waren und Brandrückstände undefinierter Toxizität händisch eingesammelt hatten.

In dem Fall hatte es tatsächlich eine „Dienstaufsichtsbeschwerde“ gegeben – leider anonym. Das LRA RV nimmt dazu noch einmal wie folgt Stellung:

Die anonyme Dienstaufsichtsbeschwerde bezüglich der sogenannten Rußsammelaktion wurde vom Landkreis geprüft und gegenüber Herrn Dr. Aschauer abschließend entschieden. In die Prüfung waren das Rechts- und Ordnungsamt, das Gesundheitsamt, der Kreisbrandmeister und das Bau- und Umweltamt einbezogen. Mit Blick auf den Zeitdruck, die Gefahr für die Allgemeinheit und unter Berücksichtigung der von Herrn Dr. Aschauer vorgenommenen Hinweise und Vorkehrungen hat der Landkreis kein persönlich vorwerfbares Fehlverhalten festgestellt.
(ibid.)

Meine Erfahrung: Die Landratsämter stellen nach Hinweisen, Anzeigen, Beschwerden von Bürgern ganz ganz oft „kein Fehlverhalten“ der Bürgermeister fest. Das ist zum Beispiel in der Mehrheit der auf diesem Blog berichteten Fälle, wo diese Bürger dann anschließend die Gerichte angerufen haben, nachweisbar. Fehlerhafte Kurtaxe-Satzung in Langenargen (hier) – natürlich hatten sich die Kläger vorher an das Landratsamt Bodenseekreis gewandt und waren dort abgewiesen worden. Vom Geld des Steuerzahlers bezahlt, musste seinerzeit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dann das „Fehlverhalten“ feststellen und beurteilen, was dem LRA Bodenseekreis festzustellen nicht möglich war!

Causa Ummendorf – natürlich hatte sich der Kläger vorher an das Landratsamt Biberach gewandt und war dort abgewiesen worden. Die Rechtsaufsicht konnte kein Fehlverhalten feststellen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen aber sehr wohl (hier). Es stellte gleich vier Rechtswidrigkeiten des Bauplatzvergabeverfahrens der Gemeinde Ummendorf fest (hier).

Und es gibt Gründe dafür, warum – das ist meine felsenfeste Meinung – die Kommunalaufsicht in Baden-Württemberg nicht funktioniert, solange „nur“ Bürger monieren.
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Diese Krähe bringt uns den Schlüssel zum Verständnis der meiner Meinung nach vorne und hinten nicht funktionierenden Kommunalaufsicht in Baden-Württemberg. Er liegt recht eigentlich in der süddeutschen Ratsverfassung und der exotischen Tatsache, dass Bürgermeister in BW auch im Kreistag sitzen dürfen. Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

 

Warum die Kommunalaufsicht in Baden-Württemberg oft nicht funktioniert
Im Moment fehlt mir die Zeit für einen länglichen Aufsatz zu dem unterliegenden strukturellen Problem, dass in Baden-Württemberg, anders als zum Beispiel in Niedersachsen, die Bürgermeister im Kreistag sitzen dürfen. Wo sie, so die Kritik vieler Demokraten, nicht hingehören. Dazu gibt es auch wissenschaftliche Arbeiten (z. B. hier). Ganz selten einmal äußert sich sogar ein Landespolitiker kritisch zum Thema wie hier der ehemalige Rottweiler Landtagsabgeordnete (FDP) Dr. Gerhard Aden in der Neuen Rottweiler Zeitung. In dem Artikel
sind einzelne Fasern des komplexen Problemstranges >Bürgermeister im Kreistag< gut erklärt.

Übrigens spielt es keine Rolle, ob ein hier gerade in Rede stehender Bürgermeister dann tatsächlich auch über einen Sitz im Kreistag verfügt. In Baden-Württemberg gilt ein Generalpardon für alle Bürgermeister, unabhängig davon, ob sie einen Sitz im Kreistag haben oder nicht. Denn die Kollegen-Krähen werden es sich gut merken, wenn der Landrat einem von ihnen das Auge aushackt. Aschauer hat meines Wissens kein Kreistagsmandat (hier).

In Niedersachen hatte jüngst ein Bürgermeister versucht, sich in den Kreistag einzuklagen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat ihm dann den Marsch geblasen (hier).

Fakt ist: Jeder BW-Landrat braucht seine Bürgermeister im Kreistag und ihr Abstimmungsverhalten, um seine politische Agenda durchzusetzen. Er braucht sie vor allem auch bei seiner eigenen Wahl. Denn anders als zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen werden Landräte in Baden-Württemberg ja nicht von den Bürgern direkt gewählt (hier).

Wenn also die Landräte auf das Wohlverhalten ihrer Bürgermeister angewiesen sind, wie ernst werden sie dann wohl ihre Dienstaufsichtspflichten nehmen, wenn es „nur“ Bürger sind, die auf Fehlverhalten hinweisen? Das kann gar nicht funktionieren!

Und zahlreiche Artikel und dokumentierte Fälle auf diesem Blog zeigen: Es funktioniert auch nicht. Der Fall des Achberger Bürgermeisters Dr. Johannes Aschauer ist ein anschauliches Beispiel dafür. Sein belegtes und teilweise auch selbst eingestandenes Verhalten ist eklatant. Ganz offensichtlich greift Aschauer in den aktuellen Bürgermeisterwahlkampf ein. Aber das für die Kommunalaufsicht zuständige Landratsamt Ravensburg unter Landrat Harald Sievers sieht „kein Fehlverhalten“.

Natürlich nicht!

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