Salat: Bürgermeister und Amtsinhaber Manfred Härle (CDU) hat mit einem wahrlich hauchdünnen Ergebnis von 50,6 Prozent der abgegebenen Stimmen (alle Zahlenangaben nach dieser Quelle als Endergebnis) im ersten Wahlgang die Wahl zum Bürgermeister in Salem gewonnen.
Imposant ist das Ergebnis der Mitbewerberin Birgit Baur. Sie erhielt 39,4 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. Dr. Roland Martin dagegen konnte nur 8,4 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich ziehen, liegt damit aber immerhin noch deutlich über seinem Wahlergebnis bei der Bürgermeisterwahl in Uhldingen-Mühlhofen (3,4 Prozent; Quelle).
Die Wahlbeteiligung lag bei 58,3 Prozent und bezeichnet damit das weite Feld, das von den verschiedenen politischen Akteuren in Salem nicht beackert wurde. Interessant wäre zu wissen, wie groß die Wahlbeteiligung insbesondere der jungen Leute gewesen ist.
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Der Südkurier, der möglicherweise maßgeblich zu diesem Wahlergebnis beigetragen hat (z. B. hier), titelt: „Manfred Härle bleibt Bürgermeister der Gemeinde“. In den großen Teilorten sei der Abstand zwischen Härle und Baur oft knapp gewesen.
Südkurier-Redakteur Stefan Hilser kommentiert den Wahlausgang mit einem Abstand, den er in seiner Rolle als Moderator der Südkurier-Podiumsdiskussion mit den Kandidaten schmerzlich vermissen ließ. Hinsichtlich der nachhaltigen (!) Rolle der Bürgermeister-Kandidatin Birgit Baur stimme ich ihm zu:
Kandidatin Birgit Baur machte die Kommunikation und das Miteinander im Dorf zu ihrem Wahlkampfthema. Sie füllte ein Vakuum, das in den letzten Jahren entstand. Ihr Mut, auch ohne Verwaltungserfahrung anzutreten, und jetzt auch ihr hoher Stimmenanteil, eröffnen Chancen für die Dorfgemeinschaft: Sofern Härle seinen Worten Taten folgen lässt und in eigenes Handeln ummünzt, was er vorgibt [sic] von Baur gelernt zu haben, könnte ein neues Wir entstehen. Das wäre dann Baurs Verdienst.
(Südkurier 27.09.2020 Kommentar Stefan Hilser: „Kann Manfred Härle sich neu erfinden?“)
Nicht stimme ich Hilsers naivem Optimismus zu: Es müsste mich dann sehr überraschen, wenn ein alter weißer Mann nach jetzt schon zwei Amtszeiten, also 16 Jahren, es schafft, seine Persönlichkeit so zu ändern, das sie mit den hohen Ansprüchen an dieses Amt harmoniert. Vielleicht unterlässt Härle künftig wenigstens die öffentliche Herabwürdigung von den Mandatsträgern, die ihm im Gemeinderat mit einer anderen Meinung entgegentreten. An seinem Führungsstil im Rathaus und an seiner kommunalen Wachstumspolitik um jeden Preis wird sich eher wenig ändern?
Wenn Salem schon vor Beginn des Bürgermeisterwahlkampfes gespalten war, haben sich die Gräben dort durch einen wahrhaft unsäglichen Wettstreit mit teilweise haarsträubend dilettantisch auftretenden Akteuren noch dramatisch vertieft.
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Die Glaskugel der Salemer Nachrichten
Auch die Salemer Nachrichten kommentieren den Wahlausgang. Leider kann man den Artikel nicht verlinken, weil die Webseite zumindest in der Vergangenheit teilweise strafbare Inhalte verbreitete.
Unter dem Titel „Amtsinhaber abgewatscht“ blickt „Chefredakteur“ Stefan Steinhauer in die Zukunft und orakelt aus seinem Grillnebel heraus, dass die neue Legislaturperiode für Härle und seine Gefolgsleute „beileibe kein Zuckerschlecken“ wird. Woher weiß der Mann das?
Mehr Substanz hat seine Kritik an den Bündnisgrünen im Ländle:
Tiefgründiger – und umso unverständlicher – ist die Apathie der Bündnisgrünen aus dem Land Baden-Würtemberg [sic]: Auf Wahlkampfhilfe des Landtagsabeordneten [sic] Martin Hahn (Überlingen) musste Kandidatin Birgit Baur komplett verzichten. Angesichts der gerade mal 15 Stimmen, die sie dem Amtsinhaber noch hätte wegmopsen müssen, war dies eventuell das entscheidende fehlende Zünglein an der Waage.
(Salemer Nachrichten 27.09.2020: „Amtsinhaber abgewatscht“)
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SchwäZ verknüpft Martins Wahlergebnis mit seinem furiosen Abgang
Die Schwäbische Zeitung fasst in ihrer Berichterstattung „Hauchdünne absolute Mehrheit: Manfred Härle bleibt Salemer Bürgermeister“ hauptsächlich die blanken Fakten zusammen. Irritierend dabei sind Aussagen wie: „Es ist im Ländle eigentlich eher ungewöhnlich, dass Amtsinhaber Gegenkandidaten haben. Das ist häufig aussichtslos, heißt es, zumindest dann, wenn die Zufriedenheitswerte des Schultes nicht abschmieren“ (ibid.). So, so: „heißt es“. Wo denn bitte? Für Spaichingen zum Beispiel trifft das schon mal nicht zu.
Gleichwertig nicht nachvollziehbar ist diese Behauptung:
Bei der letzten Podiumsdiskussion vor der Wahl in Salem vor einigen Tagen sorgte der Bayer für einen recht kuriosen Auftritt. Er erklärte, er wolle die Gemeinde wieder „zusammenführen“ und sprach von „unwahren“ und „eingefärbten“ Berichten in den lokalen Medien. Dies könne er nicht weiter akzeptieren, sagte er, stand auf und zog von dannen. Und so überrascht es auch nicht, dass er am Sonntag in Salem lediglich 8,3 Prozent (444 Stimmen) bekam.
(Schwäbische Zeitung 27.09.2020: „Hauchdünne absolute Mehrheit: Manfred Härle bleibt Salemer Bürgermeister“; Hervorhebg K. B.)
Das Wahlergebnis von Dr. Roland Martin, der bei seinem Wahlkampf durch wiederholten Dilettantismus auffiel, in einen ursächlichen Zusammenhang mit seinem furiosen Abgang bei der Südkurier-Podiumsdiskussion zu stellen, überzeugt schon deshalb nicht, weil der tappsige Bayer bei seiner Kandidatur in Uhldingen-Mühlhofen auch ohne einen solchen populistischen Abgang ein miserables Ergebnis eingefahren hatte.
Martin ist für dieses Amt ganz offensichtlich nicht geeignet. Steht nur zu hoffen, dass er nach diesen zwei beredten Wähler-Testaten künftighin Abstand von weiteren Bewerbungen nimmt. Zuvorderst zu seinem eigenen Wohle …
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Stattdessen: mehr offensive Öffentlichkeitsarbeit der Opposition
Ich halte es auch für falsch, das Ergebnis dieser Bürgermeisterwahl ausschließlich an den Personen festzumachen, die für das Amt kandidiert haben. Was in Salem ganz offensichtlich fehlt, das ist eine offensive und seriöse Öffentlichkeitsarbeit der Opposition. Zwar hat das Aktionsbündnis Grünzug Salem mit seinen professionellen Fragen an die Kandidaten und insbesondere auch mit den sehr gut aufbereiteten Antworten dazu gezeigt, wie moderne und vom Südkurier unabhängige Öffentlichkeitsarbeit der Opposition gehen könnte. Aber dieser eher singuläre Akt wenige Wochen vor der Wahl konnte die Stimmung offensichtlich nicht mehr beeinflussen.
Die gesamte und jetzt verständlicherweise tief gefrustete Opposition in Salem sollte nach der berechtigten Trauerarbeit überlegen, wie sie eine kontinuierliche, seriöse (also ohne die Salemer Nachrichten), informative und möglicherweise sogar unterhaltsame Öffentlichkeitsarbeit hinbekommt.
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Neuerlich weise ich in diesem Zusammenhang auf den Blog der Überlinger Gemeinderatsfraktion Bürger für Überlingen BÜB+ hin: So geht das! Dort werden fortlaufend die wichtigen kommunalpolitischen Themen aufgegriffen und aus Sicht der Fraktion kommentiert. Die Bürger werden umfassend informiert. Der Blog wird professionell und – mit Blick auf Salem besonders hervorzuheben: RECHTSKONFORM – betrieben!
Es nützt nichts, wenn einzelne Salemer Politiker in epischer Breite beklagen, was der Südkurier alles nicht berichtet – zum Beispiel so gut wie keine Statements von oppositionellen Gemeinderäten aus den Sitzungen wiedergibt. Dann müssen diese Fraktionen eben selbst an die Öffentlichkeit gehen. Und das bitte seriös – was auch heißt: Auf gar keinen Fall auf Facebook oder in anderen asozialen Medien, wo alles jeden Moment von irgendeinem anonymen Zensor gelöscht werden kann.
Ja, ich weiß. Gemeinderäte arbeiten im Ehrenamt. Und sie werden ohnehin schon durch ausufernde Sitzungsunterlagen und das maliziös wuchernde Verwaltungsrecht erheblich strapaziert. Aber es nützt eben alles nichts. Ohne halbwegs professionelle Öffentlichkeitsarbeit können die Sonnenkönige im Rathaus und die ihnen angegliederten Verlage auch weiterhin den lokalen Wählern ganz exklusiv ihre Sicht der Dinge andübeln. Wer das ändern möchte, sollte sich um professionelle Öffentlichkeitsarbeit kümmern, was durch die Möglichkeiten des Internets heute kein Hexenwerk mehr ist.
SaSe steht für diesen oder jenen zur Thematik dieses Blogs passenden Einzelfall auch immer mal wieder gern für eine Veröffentlichung zur Verfügung. Aber Salem ist nur eine meiner Senf-Gemeinden. SaSe ist keine Alternative zu einem lokalen Publikationsorgan – weder im Internet und schon gar nicht analog.
Und wenn die Salemer Opposition in diesem Bereich nicht allmählich wach wird, es mit Härles Ambitionen zu noch Höherem auch nicht klappt, schließe ich für Salem die bundesweit erste postmortale Amtsführung des Ewigen dann nicht mehr aus! Wer will das?