Siehe zu diesem Artikel auch PB3.
Zuerst war es ein Routine-Vorgang: Im Kontext mit meinen Recherchen zum Gemeindetag Baden-Württemberg (siehe dazu auch PB1) war ich auf folgenden Artikel in der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) gestoßen: „Klimaschutzpakt mit kommunalen Landesverbänden“.
Er kam mir „komisch“ vor, weil die Berichterstattung – in ihrer originalen Version von mir gesichert am 12.07.2020 – keinen Hinweis auf irgendeine Veranstaltung, einen Vortrag oder auch eine Pressemitteilung gibt. Was der Laien-Leser als leichte Irritation vielleicht wieder aus seiner Wahrnehmung drückt, gibt der Skeptikerin Anlass zur Recherche.
Und tatsächlich: Der angebliche „Artikel“ der ZfK ist eine nahezu hundertprozentige Übernahme einer Pressemitteilung des Umweltministeriums Baden-Württemberg vom 08.07.2020: „3. Klimaschutzpaket mit den kommunalen Landesverbänden unterschrieben – 27 Millionen Euro für weitere Klimaschutzmaßnahmen“.
Nun ist es jedoch so, dass der Pressekodex unter Ziffer 1, Richtlinie 1.3 zwingend vorschreibt, dass Pressemitteilungen als solche zu kennzeichnen sind. Für den Leser muss ersichtlich sein, dass sich hier nicht ein Journalist bzw. eine Redaktion verlautbart, sondern der Leser es unmittelbar mit den Behauptungen einer Behörde zu tun hat.
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Didaktischer Hintergrund zu der SaSe-Presseanfrage
Die ZfK verstößt also nach meiner Wahrnehmung mit oben genanntem Artikel gegen den Pressekodex. Ja, Göttchen. Schlimm, schlimm, schlimm? Nein. Das ist eher eine Petitesse, eine Marginalie.
Aber natürlich wollte SaSe damit etwas „zeigen“: Die Causa ZfK ist ein weiterer Beleg für meine These, dass sich einige (manche / viele / zu viele?) Akteure und Institutionen auf kommunaler Ebene und aus der sie umgebenden Struktur ganz offen und frohgemut über die Regeln, die für alle anderen gelten, hinwegsetzen. Eines der krassesten und mit Gerichtsurteil belegten Beispiele ist die Causa Ummendorf. Ein Bürgermeister verstößt gleich vier Mal gegen geltendes Recht, ohne dass es für ihn bisher irgendwelche erkennbaren Konsequenzen hätte.
Und ich behaupte des Weiteren: Diese Missachtung von Regeln, Recht und Gesetz ist sogar nirgends schlimmer als auf kommunaler Ebene – WEIL dort niemand (i. e. z. B. Lokalpresse) genauer hinsieht.
Aktuelles Beispiel für dieses Nichthingucken: die kleine Bodensee- und Tourismus-Gemeinde Langenargen. Zum wiederholten Male werden dort Geflüchtete von der Gemeinde in einer menschenunwürdigen Unterkunft untergebracht, derweil die Kommune über 200.000 Euro für Luxustoiletten und deren kostenintensive monatliche Wartung ausgibt (vgl. TS97/20 sowie die fortlaufende Berichterstattung auf dem Blog AGORA-La von Elke Krieg).
Übrigens hat Elke Krieg in dieser Angelegenheit inzwischen noch weitere schockierende Fakten recherchiert, die belegen, dass es vor der „Umsetzung“ der Familie möglicherweise zu einer rassistischen Straftat gekommen ist, zu der es inzwischen auch eine Strafanzeige gäbe. Die betroffene Familie ist Opfer dieser Straftat und wurde durch die „Umsetzung“ erneut zum Opfer gemacht. Die Gemeinde Langenargen ist dadurch verantwortlich für die Retraumatisierung einzelner Familienmitglieder (PTBS), wie inzwischen ein ärztliches Attest bestätigt.
Aber zurück zu den Strukturen im kommunalen Regelbetrieb, die auch im vorliegenden Fall der ZfK einfach nicht in Ordnung sind. Richtig Auftrieb erhält diese Story nämlich erst durch die bezeichnende Reaktion der angefragten Zeitung.
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Kurzporträt Zeitung für kommunale Wirtschaft
Natürlich gehöre ich nicht zu den Stammlesern dieser seit 1954 bestehenden Fachzeitschrift. Deren Zielgruppe sind „Aufsichtsräte, Vorstände, Geschäftsführer, Bereichs- und Abteilungsleiter sowie Personal-Verantwortliche in Stadtwerken und Versorgungsunternehmen“ (Quelle).
Der Anspruch der ZfK ist also hoch – so hoch, dass er sich auch am Pressekodex messen lassen muss:
Die Themen der ZfK in Stichworten: Energiewende, Erneuerbare Energien, Dezentrale Erzeugung, Verteilnetze bzw. Smart Grids, Virtuelle Kraftwerke, Energie-Effizienz, Energiehandel, Finanzierung, Energiepreise, Politik, Recht, Regulierung, Personal und Mobilität der Zukunft.
Die ZfK bietet Ihren Abonnenten monatlich Informationen, Orientierung und Entscheidungshilfe im komplexen wirtschaftlichen, politischen und technischen Umfeld.
[…]
Ihre Kommunikation profitiert von der Glaubwürdigkeit und der positiven Abstrahlung einer starken Marke.
(Homepage Zeitung für kommunale Wirtschaft, Rubrik „Über uns“; Hervorhebg. K. B.)
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Okay. Das mit der „Glaubwürdigkeit“ kriegt natürlich eine erhebliche Delle durch die unbeholfene und vertuschende Reaktion der ZfK-Chefredaktion auf meine Presseanfrage.
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ZfK: keine Presseantwort, aber nachträgliche Artikel-Manipulation
ZfK-Chefredakteur Klaus Hinkel hat meine Presseanfrage (natürlich?) nicht beantwortet. Damit hat er sich einen Eintrag in die neue SaSe-Rubrik „Bondage“ verdient: siehe PB3.
Damit wäre die Story normalerweise zu Ende.
Aber als ob es ein persönliches Anliegen von Hinkel wäre, mir noch mehr Munition für meine Thesen zu liefern, macht er Folgendes: Er verändert den Artikel nachträglich.
Am 12. Juli 2020 sah der noch so aus
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Am 14. Juli 2020 sieht der Artikel jedoch auf einmal so aus:
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Diese nachträgliche Änderung steht der ZfK selbstverständlich frei. Nur: Seriöse Publizistik muss – und auch dazu gibt es wieder eine Ansage im Pressekodex – solche relevanten nachträglichen Änderungen für den Leser kenntlich machen. Dort heißt es unter Ziffer 3: Richtigstellung:
RICHTLINIE 3.1
ANFORDERUNGEN
(1) Für den Leser muss erkennbar sein, dass die vorangegangene Meldung ganz oder zum Teil unrichtig war. Deshalb nimmt eine Richtigstellung bei der Wiedergabe des korrekten Sachverhalts auf die vorangegangene Falschmeldung Bezug. Der wahre Sachverhalt wird geschildert, auch dann, wenn der Irrtum bereits in anderer Weise in der Öffentlichkeit eingestanden worden ist.
(2) Bei Online-Veröffentlichungen wird eine Richtig-stellung mit dem ursprünglichen Beitrag verbunden. Erfolgt sie in dem Beitrag selbst, so wird dies kenntlich gemacht.
(Pressekodex, zitiert nach www.agile-unternehmen.de)
Zwar ist das Unterschlagen der Tatsache, dass es sich bei dem „Artikel“ der ZfK in Tat und Wahrheit um die fast vollständige Übernahme einer Pressemitteilung des Umweltministeriums Baden-Württemberg handelt, keine „Falschmeldung“ im klassischen Sinne. Solche wichtigen Änderungen jedoch müssen trotzdem für den Leser nachvollziehbar gekennzeichnet werden. SaSe-Stammleser kennen dafür auf diesen Blog Hülle und Fülle von Beispielen.
Mein Schlusswort zu diesem Vorgang fällt denkbar knapp und mit bildungsbürgerlicher Arroganz aus: Quod erat demonstrandum! Quantitativ nicht definierte Bereiche der Kommunalpolitik und der sie umgebenden Strukturen backen sich ein Ei auf den Regeln, die für alle anderen gelten. Personen, die formgerecht nach solchen Verstößen fragen, werden nach allen Regeln der Kunst vereimert!