TS42/21: Sexy Angebot an den mutigen Whistleblower in Heitersheim: Veröffentlichungsplattform gesucht?

Ja, ja, die viel zu vielen nichtöffentlichen Gemeinderatssitzungen! Sie beschäftigen uns weiter. Jüngst hatten wir dieses nette Beispiel aus Tettnang (Landkreis Bodenseekreis). Mehr Furore machte das nichtöffentliche Verhandeln von Vergabekriterien für kommunale Baugrundstücke der Gemeinde Ummendorf (Landkreis Biberach). Hier steht Bürgern und Demokratieanhängern sogar ein Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (VG Sig) zu dieser unseligen Hinterzimmer-Praxis zur Verfügung.

Bei der mündlichen Verhandlung zur Causa Ummendorf allerdings war klar erkennbar, dass verantwortliche Bürgermeister – in diesem Fall Rathauschef Klaus B. Reichert – sich auf den Belehrungen des Vorsitzenden Richters der 3. Kammer des VG Sig zum Öffentlichkeitsgebot von Gemeinderatssitzungen gelassen ein Ei backen. O-Ton Reichert an den Richter: „Da können Sie mir erzählen, was Sie wollen.“

Bundesweite Aufmerksamkeit erzielte das Vorgehen der Stadt Meßkirch, den Ansiedlungsbeschluss für ein Verteilzentrum der Konzernkrake Amazon nichtöffentlich vom Zweckverband Gewerbegebiet Industriepark Nördlicher [sic] Bodensee fassen zu lassen – ebenso wie die Stadt Trossingen zum gleichen Thema!
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Amazon-Verteilzentrum Meßkirch: Der entscheidende Beschluss zu dieser gruseligen und wirtschaftstoxischen Ansiedlung wurde nichtöffentlich gefasst!
Foto: Thomas W. Ascher

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Den Schadensrekord zum Thema Nichtöffentlichkeit hält die Gemeinde Bötzingen

Will man die offensichtlich zu häufig rechtswidrige, weil nicht den Ansprüchen von Paragraf 35 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO BW) genügende Praxis nichtöffentlicher Sitzungen nach der Quantität des angerichteten Schadens bemessen, liegt der aktuelle Rekord vermutlich bei der Gemeinde Bötzingen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald; 5.331 Einwohner). Dort hatten Gemeinderat und Bürgermeister Dieter Schneckenburger die Richtlinien zum Umgang mit dem Gemeindevermögen nichtöffentlich beschlossen (vgl. Berichterstattung Badische Zeitung). In der Folge hatten die Bötzinger Schlaubären 13,2 Millionen Euro, das sind 40 Prozent des gesamten Vermögens dieser Hobbit-Gemeinde, bei der inzwischen insolventen Bremer Privatbank Greensill Bank angelegt. Aktueller Stand: Das Vermögen ist mutmaßlich futsch, auch wenn eine von der Gemeinde beauftragte Anwaltskanzlei derzeit noch versuche, irgendetwas zu retten.

Mit diesem Millionenverlust hatte es Bötzingen dann auch in die bundesweitere Presse (z. B. ZDF heute-journal, Capital) geschafft; allerdings nicht wegen der nichtöffentlichen Beschlussfassung, sondern (leider) nur wegen des kapitalen Schadens.

Whistleblowing ist im Zusammenhang mit den viel zu vielen nichtöffentlichen Gemeinderatssitzungen offensichtlich das letzte Mittel, um diese meiner Meinung nach viel zu häufig rechtswidrige Praxis anzuprangen.
Bild von Enrique Meseguer auf Pixabay

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Meine These: Verstoß gegen § 35 GemO BW ist monatliche Praxis landesweit
Es ist ein offenes Geheimnis: (Zumindest) in den baden-württembergischen Kommunalparlamenten werden viel zu viele Themen nichtöffentlich beraten und beschlussfasst. Aus meiner Zeit als Gemeinderatsberichterstatterin für den Südkurier (endete eher tragisch … für den Südkurier) weiß ich, dass nahezu jeder Termin einer öffentlichen Sitzung mit einer nichtöffentlichen (zuvor oder danach) gekoppelt war. So viele Themen aber kann es in einer Gemeinde gar nicht geben, die den strengen Ansprüchen des Paragrafen 35 der GemO genügen?

Inzwischen – und ganz ohne Petitionen … – allerdings bildet sich ein Bewusstsein in der Bevölkerung für dieses gefährliche, weil die Demokratie abnagende Phänomen heraus. Da die Kommunalaufsichten (i. e. die zuständigen Landratsämter) auch (!) bei diesem Thema komplett versagen – ein durchgehendes und vielfältig dokumentiertes Nebenthema auf diesem Blog – haben Demokraten nur noch eine Möglichkeit: Infos zu dieser rechtswidrigen Praxis durchzustechen. Wie heikel, weil im schlimmsten Fall sogar als Straftat zu bewerten, diese „Notwehr“ ist, hatte ich hier länglich erklärt.
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Der Durchstecher von Heitersheim
Mit diesem Vorwissen liest man den Artikel der Badischen ZeitungKrach um nicht-öffentliche [sic] Sitzungen in Heitersheim“ vom 8. April 2021 mit ganz neuem Verständnis und aufbrodelnder Sympathie für den Whistleblower.

Dort nämlich haben jetzt die Freien Wähler (FW) beantragt, grundsätzlich nur noch öffentlich zu tagen. Allerdings ist dieser Antrag leider nicht Protest zur rechtswidrigen Praxis, sondern eine Art Prophylaxe vor noch größerer Blamage, weil sich in Heitersheim die nichtöffentlich verhandelten Themen offensichtlich ohnehin nicht mehr geheim halten lassen.

Sollte es je so weit kommen, dass Freie Wähler – wo auch immer – tatsächlich mal eine ernsthafte Anstrengung zur Rettung der Demokratie unternehmen, bekämen sie dafür auf diesem Blog ohnehin eine eigene Überschrift.

Anlass für diesen Antrag der Heitersheimer FW sei ein Eklat um publik gemachte Informationen aus nichtöffentlicher Sitzung. Interessant am BZ-Artikel dazu sind vor allem die teilweise melodramatischen Reaktionen der einzelnen Gemeinderäte:

„Das ist unterirdisch“, war es daraufhin aus SPD-Stadtrat Harald Höfler herausgebrochen. Nicht einmal seiner Ehefrau dürfe er etwas aus nichtöffentlicher Sitzung erzählen, und da gingen über Jahre Dinge nach außen: „Offenbar werden Rechtsverstöße praktiziert“. In Heitersheim wurden immer mal wieder Informationen aus nichtöffentlichen Sitzungen durchgestochen.
(Badische Zeitung 08.04.2021: „Krach um nicht-öffentliche [sic] Sitzungen in Heitersheim“; Hervorhbg. K. B.)

Was für ein „Skandal, Skandal“ skandierender Schlaubär, der Herr Höfler! Ja, tatsächlich „werden Rechtsverstöße praktiziert“, wenn Kommunen im eklatanten (und immer häufiger im Nachgang auch gerichtlich festgestellten) Verstoß gegen Paragraf 35 GemO BW nichtöffentlich tagen. Und ein neues Flüchtlingsheim für Heitersheim  fällt ganz offensichtlich nicht unter die restriktiven Bestimmungen der genannten Rechtsnorm.

Weitaus nüchterner und unaufgeregter sieht das Bernhard Walz, Gemeinderat der Fraktion „Zusammen für Heitersheim“, und verweist darauf, dass ein ganzer Themenkomplex seit rund anderthalb Jahren nichtöffentlich behandelt werde. Walz‘ Forderung hört sich vernünftiger, demokratienäher und transparenter an als die selbstgerechte SPD-Empörung. Er fordere das Gremium auf zu überlegen, „wie wir eine gesündere Mixtur aus nichtöffentlich und öffentlich hinkriegen“ (ibid.).

Der BZ-Artikel lässt dann noch Jürgen Fleckenstein, Professor für Zivil- und Kommunalrecht an der Hochschule Kehl, zu Worte kommen, der auf den Graubereich der Auslegungssache verweist:

„Etwas Raum zur Auslegung gibt es bei der Frage, was das öffentliche Wohl ist“, sagt der Fachmann: [sic] „Insbesondere, wann das öffentliche Wohl einer Gemeinde eine nichtöffentliche Sitzung gebietet, da kann man in manchen Fällen durchaus unterschiedlicher Meinung sein“ .
(ibid.).

Ja. Grenzfälle mag es geben. Aber aus diesen die Rechtfertigung der aktuellen Praxis viel zu vieler nichtöffentlicher Sitzungen abzuleiten, heißt das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Oberproblematisch ist die offensichtlich dem Heitersheimer Bürgermeister Christoph Zachow zuzuschreibende Ansage, der Ausschluss der Öffentlichkeit „bietet […] die Möglichkeit für Vorberatungen, die danach transparent gemacht werden müssen“. Aua, aua, aua. Dazu sei Herrn Zachow dann doch noch einmal die Lektüre des Urteils in der Causa Ummendorf empfohlen, wo genau DAS vom VG Sig kritisiert wird.

Bedeutet aber auch: Bürgermeister, die sich großartig zu nichtöffentlichen Sitzungen verbreiten, kennen die Rechtslage nicht wirklich?
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Gruppenbild baden-württembergischer Bürgermeister, die sich gegenüber der Öffentlichkeit oder ihren Gemeinderäten über Inhalte und Zielsetzung der Vorgaben der Gemeindeordnung Baden-Württemberg zum Öffentlichkeitsgebot verlautbaren! Jeder weiß ein bisschen was, aber keiner weiß Bescheid! Immerhin: Empirie-gestütztes Halbwissen!
Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

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SaSe steht immer gern für solche Veröffentlichungen zur Verfügung
Dann kommt der für mich wichtigste Teil des Artikels: Genannter Bürgermeister habe seinen Gemeinderat von einer schriftlichen Ankündigung eines Heitersheimers berichtet, dieser werde alles, was er aus informierten Kreisen erfahre, in die Öffentlichkeit tragen.

Das ist ja wunderbar! Denn es gibt mir Gelegenheit, diesem tragenden Heitersheimer die Möglichkeit anzubieten, über Veröffentlichung auf diesem Blog auch eine entsprechende Reichweite zu erzielen.

Das allerdings kann ich nur deshalb tun, weil der genannte Whistleblower die Beschaffung als solche ohnehin schon angekündigt hat – unabhängig von einem Publikationsort im Internet. Er wird also durch die Herausgeberin dieses Blogs nicht erst zu seinem Tun angestiftet! (Das ist jetzt meine rechtliche Absicherung!)

Immer her mit den Infos! Heitersheimer Whistleblower: You are welcome!  Das läuft dann wie im Fall der Stadt Tettnang: schöne Presseanfrage an den verantwortlichen Bürgermeister und dann raus mit den Infos! Und: Informantenschutz ist eine Selbstverständlichkeit für diesen Blog!

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